vonSigrid Deitelhoff 23.04.2007

Prinzenbad-Blog

Freibad-Wetter, gefühlte Wassertemperatur, Gespräche und Gedanken unter der Dusche – der Blog über Deutschlands berühmteste Badeanstalt.

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Was machen Prinzenbadlerinnen, wenn sie nicht ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen können oder wollen? Richtig – sie treffen sich zum Blind Date.

ACHTUNG: Wer nach Eingabe von Blind Date in die Suchmaschine die üblichen Mann trifft Frau, Frau trifft Frau, Paar trifft Paar-Begegnungen erwartet, möge bitte nicht weiterlesen. Wir erzählen zwar auch über Begegnungen, interessante und langweilige, komische und ernste, kitschige und intellektuelle. Unser Blind Date findet jedoch zwischen Prinzenbadlerinnen samt Fans und Kultur/Kunst… (in sehr weitläufigem Sinne) statt. Jetzt das zweite ACHTUNG (für die Intellektuellen unter Euch): Wir berichten rein subjektiv über das von uns Gesehene.

Warum Blind Date? Date, da eine aus unserem Kreis das Frühstückslokal und z.B. Ausstellung/Museum/Besichtigung bestimmt, was wir uns ansehen werden. Der Rest muss mitmachen – Weigerung aussichtlos! Blind, da die Ausstellung etc. erst im Laufe des Frühstücks bekanntgegeben wird.

Aber nun zum ersten Blind Date Bericht:

Wir trafen uns im tazcafé. Der Biobrunch ist lecker und preiswert mit fair gehandelten Produkten. Durch dieses Frühstück friedlich gestimmt, erfuhr der Rest von uns, wo es hinging: Zur Ausstellung der Preisträgerin des Gabriele Münter Preises 2007 sowie 33 weiterer Künstlerinnen im Martin Gropius Bau.

Der Gabriele Münter Preis ist der erste Preis Europas, der Künstlerinnen über vierzig verliehen wird.
Als wir die Treppe des Martin Gropius Baus mehr oder weniger sportlich (je nachdem, ob Prinzenbadschwimmerin oder Fan) hinaufstiegen, fiel K. auf dem linken Treppenabsatz eine Absperrung und auf dem Boden etwas Glitzerndes auf, das wie Glasscherben aussah. Während K. nach einer kaputten Fensterscheibe suchte und bei M. Hausfrauengefühle erwachten, stießen wir auf das Schild “Leni Hoffmann – OCR Zinsausschüttung”. Aha, das erste Kunstwerk der Preisträgerin.

Im ersten Stock erschien uns die Glaskuppel in der Decke wie ein farbiges, abstraktes Gemälde. Im zweiten Stock und damit in der Ausstellung angekommen entpuppte es sich als Installation aus Plastikschüsseln und sonstigen Plastik(haushalts)geräten von Heide Weidele. S. inspirierte es zu dem Ausspruch “Da muss ja jemand eine unheimliche Wut auf seine Tupperware gehabt haben”.

Wir nicht gerade Untergewichtigen wurden in den nächsten Minuten mit einer Zumutung konfrontiert: 300 Personenwaagen (Waagen von Ulrike Kessl). Trotzdem mussten wir S. im Laufe der Ausstellung davon abhalten, sich einige der 47.500 Schoko-Kaubonbons einzuverleiben, die wie ein glitzernder Teppich auf 19 qm zu einem Kunstwerk arrangiert waren (von Dagmar Hugk). S.`Blick auffangend verwies einer der Aufsichtspersonen auf Bilder im vorherigen Raum (NY Faces – chirurgische Operationen von Annegret Soltau), die u.a. Menschen mit schlechten Zähnen zeigten und meinte “Wer davon isst, bekommt solche Zähne”.

Bei E. zeigten sich erste Ermüdungserscheinungen und sie legte sich auf die Joga-Matten von Pascale Komarnicki.

Warum die aufgetürmten Schrankwandelemente von Inken Reinert Kompliment hießen, blieb uns verborgen. K. war von den Nacht-Arbeiten von Yukara Shimizu ganz begeistert (Garten Nr. 1 und 6 sowie “The Voice was behind me”).

Die Bilder “Mode und Bewußtsein” von Beate Passow, die Frauen in farbenfrohen Burkas und in außergewöhnlichem Zusammenhang zeigten, veranlasste uns zur Diskussion über die frauenspezifischen Unterschiede von Kulturen im Zeitalter der Globalisierung.

Ausstellungsbesichtigungen müssen ja nicht unbequem sein. Das sagte sich auch S. und schob eine Bank an die Wand, um es sich beim Ansehen der Videoinstallation “Chronos” von Hanna Frenzel bequem zu machen. Eine Frau steht in einem Glaszylinder und wird mit Salz berieselt. Kommentar dazu: So entsteht Pökelfleisch. Uns übrigen hat es gut gefallen. Interessant fanden wir, dass wir am Anfang alle dachten, es würde sich um Wasser handeln und erst im Laufe des Films das Salz erkannten und schließlich die Umgebung, ein Salzbergwerk.

A. gab ihrer kindlich anarchistischen Ader nach und erfreute sich an dem Film über die plattgefahrenen bunten Knetgummikleckse auf der Fahrbahn von Leni Hoffmann.

Beim Ausgang angekommen befürchteten wir grössere Schwierigkeiten und hohe Regressforderungen: M. hatte einen Teil eines Kunstwerks der Preisträgerin einfach mitgenommen. Ihren Beteuerungen Glauben schenkend, dass ein Museumswärter sie geradezu aufgefordert hatte, eine der herumliegenden Zeitungen mitzunehmen, die die Künstlerin Leni Hoffmann während des Druckvorgangs mit Farbstreifen versehen hatte, holten wir uns auch ein Exemplar. So ist nun jede von uns Eigentümerin einer echten “Hoffmann”.

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https://blogs.taz.de/prinzenbad/2007/04/23/blind-date-im-martin-gropius-bau/

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