vonSigrid Deitelhoff 02.06.2012

Prinzenbad-Blog

Freibad-Wetter, gefühlte Wassertemperatur, Gespräche und Gedanken unter der Dusche – der Blog über Deutschlands berühmteste Badeanstalt.

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Weit vom Prinzenbad entfernt wurde vorgestern die gemeinsame Abschlussausstellung von 27 Fotodesign-AbsolventInnen des Lette-Vereins für das Jahr 2012 eröffnet. Der lange Weg nach dem Schwimmtraining zur Vernissage in den Uferhallen im Berliner Stadtteil Wedding hat sich jedoch gelohnt.

Abschluss-Ausstellung der FotodesignerInnen in den Uferhallen, Berlin-Wedding

Interessante Fotos hatte ich erwartet. Mit so vielen Themen und einem so grossen Ideenreichtum und dessen professionelle Umsetzung hatte ich allerdings nicht gerechnet. Das Spektrum der Bilder reicht von Architekturaufnahmen,  z.B. Kirchendecken verschiedener Bautypen (Doris Hüser), über Themen wie Lebensmittelüberfluss und -mangel (Feline Fink), Weltuntergang (Leifur Wilberg Orrason), Plastikmüll (Antonia Richter), Brustkrebs und deren Bewältigung (Christine Feser) bis hin zu Portraits von Menschen, die über 100 Jahre alt sind und deren gelebtes Leben sich in den Gesichtern eingegraben hat (Patricia Schichl).

 

Viele der Fotos sind geprägt durch die Herkunft und die persönliche fotografische Spurensuche der nun ausgebildeten FotografInnen. Nicht umsonst ist der Titel „52° 29′ N 13° 20′ O“ der Ausstellung eine
Koordinatenbeschreibung, die aber nicht nur geografische Züge trägt, sondern die unterschiedliche Herkunft und Sozialisation der AbsolventInnen hevorhebt. Die Suche nach der eigenen Identität findet in den präsentierten Fotos ihren Ausdruck.

 

 

„Schauplätze des Berliner Nachtlebens“ – Fotos von Natalia Carstens

 

Interessant sind die Fotos von menschenleeren Berliner Nachtclubs und Diskotheken, fotografiert von Natalia Carstens. Verlassene Orte, die im Putzlicht dem Betrachter jenseits des Party-Trubels eine andere Perspektive auf den Raum als Solchen offenbart. Über die Clubfotos hinaus haben mir besonders Natalia Carstens Schwarz-Weiss-Fotos zum Thema „Körperformen“ gefallen. Die Bezeichnung „abstrakte Aktfotografie“ würde es m. E. nicht ausreichend treffen. Körperteile werden in ungewohnter Weise miteinander in Beziehung gesetzt. Das dahinter stehende Konzept ist ideenreich, die Bilder wirken sinnlich, ohne distanzlos zu sein. Wunderschön sind sie anzuschauen und vermitteln eine Ahnung von der Körpervielfalt des Menschen, ohne ihn in der Öffentlichkeit zu entblößen.

„Körperformen“ von Natalia Carstens. Hier als Collage auf einer Foto-Postkarte

Als PrinzenbadlerInnen interessieren uns natürlich auch noch Fotos zu unserem ureigenen Metier „Wasser, Badeanstalten, Schwimmen“.  Auch in dieser Hinsicht sind wir fündig geworden. Tolle Fotos zum Thema Schwimmbäder bzw. „Architektur und Wasser“ (leider nur auf der Website von Natalia Carstens)  laden zum Schwimmen in alte, aber gut erhaltene und architektonisch wunderschöne Berliner Hallenbäder ein, die teilweise zu den schönsten Schwimmbädern Europas gehören.

 

Verstörend beim ersten Kontakt wirken die Bilder „Drei stille Orte“ von Sarah Veith. Ein Waldstück, eine Birke bei Königs Wusterhausen und ein Wohngebiet. Was verbindet diese drei Orte miteinander? Die Antwort lautet: Orte, an denen sich Menschen das Leben genommen haben. Mit  der Thematisierung „Suizid“  verändert sich der Blickwinkel beim Betrachten dieser drei Bilder sofort. Die Wiederherstellung von Ahnungslosigkeit oder Unbekümmertheit beim Anschauen der Bilder ist nicht mehr möglich.

Bruno Siegrist präsentiert Fotos von unbekannten Personen, die eine Erinnerung in uns wachrufen. Diese Menschen verdecken ihr Gesicht oder sitzen in einer bestimmten Körperhaltung in einem Auto. Wer denkt da nicht an brisante Gerichtsverhandlungen und an Politiker auf dem Weg zu einem wichtigen Treffen? Die Bilder erinnern an bekannte Pressefotos und rufen bestimmte Eindrücke und Gefühle hervor. Freies Spiel der Assoziationen.

Berührend sind auch die Fotos von Janik Gensheimer, der die Perspektive von Kindern und ihren Traumwelten,  aber auch die subjektive Realität eines jeden Erwachsenen zum Fixpunkt seiner Bilder macht.

 

Auch die Verwendung unterschiedlicher Kameratypen und Aufnahmetechniken für die Ausstellungsbilder wäre einer genaueren Betrachtung wert, dem ich aber an dieser Stelle nicht gerecht werden kann. Deshalb nur kurz erwähnt sei Markus Koppes Verwendung einer Lochkamera. Der Fotograf schießt auf eine Oberfläche und zugleich wird sein eigenes Bild eingefangen.

Zu guter Letzt: die Steinbruch-Fotos von Laura Kissner. Fotos, aufgeteilt in einzelne Farbauszüge, belichtet auf Folien, die hintereinander vor einer Lichtquelle angebacht werden – abhängig von der Entfernung zum Bild entsteht eine Dreidimensionalität.

„Steinbruch“ – Foto von Laura Kissner

 Alle Fotos: ©Sigrid Deitelhoff

 

Die Ausstellung ist noch bis einschließlich Sonntag, den 3. Juni 2012 in den Uferhallen, Uferstraße 8-11, 13357 Berlin, zu sehen. Meine Empfehlung: Unbedingt hingehen!

 

Weitere Fotodesign-AbsolventInnen 2012 des Lette-Vereins, die in den Uferhallen ihre Foto-Arbeiten präsentieren:

* Florian Ahatli
* Hannah Bender
* Johannes Berger
* Fanny Böhme
* Claudia Gödke
* Philip Gunkel
* Michael Klaus
* Alisa Kossak
* Annina Lingens
* Felix Müller
* David Paprocki
* Andreas Rehmann
* Lena Siebert
* Sarah Strickrodt
* Thore Wetzel 

 

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