Heute morgen schwamm neben mir eine Frau in der Schwimmanzugs-Kombination: Bikini-Oberteil und lange Neoprenhose. So weit so gut. Während sie super schnell an mir vorbei zog, sah ich eine kugelige Ausbuchtung unter ihrer Schwimmhose in der Nähe ihrer Lendenwirbelsäule und dachte noch, wie erfinderisch das sei, eine wasserdichte Geldbörse mit ins Becken nehmen zu können, wenn man das Spindschloss für Wertsachen vergessen hat. Die Ausbuchtung entpuppte sich jedoch später unter der Dusche als Tennisball, den sie zwischen Rücken und Hose eingeklemmt hatte, vermutlich um mehr Auftrieb für die Kraulbeine zu haben.
Was ist denn das für eine interessante Trainingsmethode? Habe ich noch nie gesehen. Da die schnelle Schwimmerin US-Amerikanerin ist, könnte es sich vielleicht um eine neue Trainingsmethode aus den USA handeln. Im US-Schwimmsport werden Schwimmtechnik-Übungen ja sowieso viel unkonventioneller im Training eingesetzt als in Deutschland. Das kann zukünftig spannend werden. Nun sind unsere US-amerikanischen MitbürgerInnen im Prinzenbad angekommen. Somit werden wir hoffentlich noch einige weitere interessante Trainingsmethoden beobachten können.
Schon seit ein paar Monaten entwickelt sich der Bergmannstraßen-Kiez in der Nähe des Prinzenbades zu einer amerikanischen Enklave. So ungefähr jeder dritte Satz, den ich auf der Strasse höre, ist amerikanisch. Es sind aber nicht nur viele „Amis“ (für mich ist die Bezeichnung übrigens eine neutrale Gruppenbezeichnung) in den Kiez gezogen, sondern die us-amerikanische Tourismusbranche hat den Bergmannstraßen-Kiez als Reiseziel entdeckt. Jedes Haus am Chamissoplatz (Gründerzeitbebauung) wird abfotografiert. In den Cafes und Restaurants werden bevorzugt US-AmerikanerInnen oder zumindest perfekt englisch-sprechende Aushilfen als Bedienung eingestellt usw.
Nicht das mich jemand falsch versteht. Ich habe nichts gegen TouristInnen und gegen amerikanische schon gar nichts, die haben meistens total wohlerzogene Kinder, die nicht unmotiviert im Restaurant herumschreien und toben. Aber ein bißchen stören TouristInnen im Alltag dann doch, z.B. beim Einkaufen im Kiez. Sie werden aus den Reisebussen, die zuvor einmal um den Chamissoplatz herumgekurvt sind, vor der Markthalle herausgelassen, erstürmen die Marheineke-Markthalle, weil diese inzwischen in jedem – und zwar wirklich jedem! – Reiseführer als „Geheimtipp“ auftaucht. Sie stehen vor den Marktständen und verstopfen diese, kaufen aber nichts. Der Tourismus läßt den Kiez hipp werden und die Immobilien- und Mietpreise schnellen nach oben. Kleine Händler sind sogar schon von der Marheineke-Halle zum Käthe-Kollwitz-Platz umgezogen, weil dort die Standmiete sehr viel günstiger ist…
Na, ja – irgendwann wird die Karawane wohl weiter ziehen. Teilweise ist das ja auch schon zu beobachten. Der neue hippe Kiez heißt Nord-Neukölln und die Schwimmerinnen im Freibad Columbiadamm können in Zukunft dann dort nicht nur die Scubes genießen, sondern auch die neuen US-Trainingsmethoden bewundern.
Foto oben: ©Sigrid Deitelhoff