vonSigrid Deitelhoff 26.05.2013

Prinzenbad-Blog

Freibad-Wetter, gefühlte Wassertemperatur, Gespräche und Gedanken unter der Dusche – der Blog über Deutschlands berühmteste Badeanstalt.

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Spaßbad: Die TOM-Variante

 

Die Heizung des Mehrzweckbeckens ist inzwischen wieder defekt. Die ganz tapferen PrinzenbadlerInnen schwimmen trotzdem in diesem kalten Becken, das sich temperaturmäßig nicht mehr wirklich vom “Bergsee”, unserem Sportbecken unterscheidet. Die weniger Mutigen – mich eingeschlossen – ziehen im warmen Nichtschwimmerbecken ihre Bahnen. In Anbetracht der Lufttemperatur reicht mir das aber auch. Nächste Woche soll die Heizung repariert und wieder funktionstüchtig sein.

 

Info am Prinzenbad-Eingang / Foto: ©Sigrid Deitelhoff

 

Eigentlich fällt nur den Stammgästen die defekte Heizung im Mehrzweckbecken auf. Andere Badegäste trauen sich bei diesen Witterungsverhältnissen sowieso nicht in ein Freibad.

 

Gab es in den letzen Jahren schon mal so einen kalten Mai? Ist das noch der vergangene oder schon der nächste Winter? Was sagte eine unserer Prinzenbadkolleginnen:  “Der kleine November möchte im Mai abgeholt werden.”

 

 

Und vom Wetter mal abgesehen … Gibt es noch andere Neuigkeiten?

 

Die neuen VorständlerInnen der Berliner Bäderbetriebe (BBB), Ole Bested Hensing und Annette Siering, haben nun das Ruder übernommen. In der Berliner Abendschau des RBB vom 24.5.13 wurde Ole Bested Hensing zu einem neuen Bäderkonzept interviewt. Die Berliner Bäder sollen attraktiver und der Umsatz gesteigert werden. Der neue Vorstand wirbt für eine Kurskorrektur in der Bäderpolitik, die nicht  nur erhalten, sondern eine Umgestaltung der Schwimmbäder zur Folge haben soll.  Und mit zusätzlichen Angeboten sowie attraktiveren Öffnungszeiten sollen mehr Menschen in die Bäder gelockt werden. Seit 2012 besuchten die HauptstäderInnen nur 1,7 Mal ein Schwimmbad, und damit viel seltener als EinwohnerInnen anderer Städte.

 

Ich finde diese Zahlen eigentlich nicht so besorgniserregend. Immerhin haben die Badegäste anderer Städte schon quantitativ viel mehr Möglichkeiten, schwimmen zu gehen, da viele Freibäder (anders als in Berlin) ganzjährig geöffnet haben. Ausserdem finde ich das Ergebnis gar nicht so schlecht in Anbetracht des unschlagbaren kulturellen Angebots in Berlin, dass ja durchaus auch immer in Konkurrenz zu sportlichen Aktivitäten steht.

 

Aber wie auch immer! Die Berliner Bäderbetriebe wollen die langfristige Perspektive der Schwimmanstalten in der Hauptstadt verbessern. Ein neues Konzept muss her. Wie dieses aussehen könnte, erläuterte Ole Bested Hensing im RBB-Interview am vergangenen Freitag.

 

Eine Kernaussage von Ole Bested Hensing lautete: Die Bäderbetriebe seien wie eine “Garage voller Oldtimer, die alle in Stand gesetzt werden müssen … Die Philosophie ist bisher gewesen, die Oldtimer auf Teufel komm raus in Stand setzen zu wollen. Dabei ist das bisweilen teurer, als Ersatz zu schaffen.”

 

Zum neuen Konzept gehört auch, einzelne Schwimmbäder so umzugestalten, dass sie besser genutzt werden. Die Berliner Bäderbetriebe gaben auf ihrer Pressekonferenz am Freitag morgen bekannt, das beispielsweise die Schwimm- und Sprunghalle am Europasportpark (SSE) ungenutzte Potentiale besitzt – sie verfügt über viele Räume, die seit der Eröffnung vor 15 Jahren noch nicht ausgebaut worden seien.
Ich bin sehr gespannt, ob es in diesem Zusammenhang Einschränkungen für die hier trainierenden deutschen LeistungsschwimmerInnen und für die Schwimmvereine geben wird. Immerhin ist auch die SSE Olympia-Stützpunkt für den Deutschen Schwimmverband (DSV).

 

Ole Bested Hensing nennt im INFOradio den Schwimmbad-Eintrittspreis von 4,50 Euro einen politischen Preis und empfiehlt eine andere Preisstruktur. Eine Tarifstruktur, die sozialverträglicher sei: Höhere Preise für die Randzeiten (Früh und Spät) in den Schwimmbädern und ein geringerer Eintritt für die Schwachlastzeiten tagsüber, die inbesondere RentnerInnen, StudentInnen und Familien berücksichtigt. Dieser Logik kann ich nicht folgen, denn Studenten studieren tagsüber, Familien haben oft erst zur sogenannten Randzeit – nach der Arbeit – Zeit, zusammen mit den Kindern ins Schwimmbad zu gehen. Ausserdem ist es zur Randzeit besonders voll in den Schwimmbecken. Und dafür soll man auch noch mehr zahlen …?

 

Ein Standortmarketing soll dazu beitragen, jedem Schwimmbad in dieser Stadt ein eigenes, unverkennbares Image zu geben. Na, ja – das betrifft das Prinzenbad dann weniger. Seit 57 Jahren hat das Prinzenbad ein unverkennbares und inzwischen sehr gutes Image entwickelt.

 

Hoffentlich führt der personelle Wechsel im Vorstand der Berliner Bäderbetriebe nicht dazu, dass wir demnächst überall kleine Tropical Islands in der Stadt haben. Es sei denn, die Freizeitbäder bevorzugen die TOM-Variante eines Spaßbades. Was eine TOM-Variante ist, fragt ihr Euch?

 

 

Freibäder müssen sein – natürlich mit Spaß, auch wenn es im Wort nicht enthalten ist. “Frei” ist Bestandteil des Wortes “Freibad” und bedeutet “im Freien schwimmen”, draussen sein. Ich denke, dass ist auch gerade für Jugendliche und Kinder wichtig. Ob Indoor oder Outdoor, ich halte nicht viel von einem Überangebot an Bespaßungsanlagen in Form von so genannten Spaß- und Freizeitbädern, in denen es vorgefertigte Spielgeräte gibt, die über das normale Maß an Spielangeboten wie sie in den meisten Frei- und Hallenbädern sowieso vorhanden sind, hinaus gehen.

 

Mag sein, dass ich in dieser Hinsicht ein bißchen konservativ bin, aber ich finde, Kinder sollten in Frei- und Hallenbädern vor allem Schwimmen lernen, Freundschaften schließen. Spielangebote sollten nicht vom Element Wasser und vom Schwimmen ablenken, sondern dazu hinführen. Meines Erachtens müssen in Schwimmbädern keine virtuellen Playstation-Situationen simuliert bzw. nachgebaut werden.

 

Darüberhinaus frage ich mich, ob Familien diese sogenannten Freizeit- und Spaßbäder wirklich oft frequentieren. Meistens ist der Eintrittspreis höher als der normale Freibad-Eintritt. Das Tropical Island kostet z.B. 32 Euro für einen Erwachsenen plus 5 Euro für die Benutzung der besten Rutsche dort. Ob sich die Nachfrage wirklich für die Bäderbetriebe rechnet? Führt so ein Konzept nicht hin zu einer Zweiklassen-Badegesellschaft? Wird es in der Zukunft überhaupt noch um Badegäste gehen, die in erster Linie am Schwimmen interessiert sind? Oder wird die Mehrzahl der Schwimmgäste aus SpassbadlerInnen bestehen, die ein Schwimmbad mit einem Fußballfeld, einem Spielplatz, mit dem Internet, einer Kirmes oder einer Disney-Landschaft verwechseln?

 

Ich verstehe schon, dass jeder neue Vorstand der Berliner Bäderbetriebe auch ein neues Konzept benötigt, sonst bräuchte es ja auch gar keinen neuen Vorstand. Aber was ist, wenn es mit der Umsetzung eines gänzlich neuen Konzepts nicht klappt. Ole Bested Hensing sagt zum Schluss im RBB-Interview, dass er einen 3-Jahresvertrag hat. Sollte er es innerhalb von zwei Jahren nicht schaffen, die Umsätze signifikant um 20 Prozent zu steigern, werde er nicht mehr für eine 2. Amtszeit zur Verfügung stehen. Ja, und was wäre dann?
Wenn eine Umsatzsteigerung mit Hilfe neuer Konzepte nicht gelingt, aber schon viel Geld ausgegeben wurde, um neue Richtungsentscheidungen einzuleiten … Gibt es ein Zurück …? Na, ja – Berlin ist ist ja so einiges gewohnt. Berlin wird langfristig BER verkraften und vieles andere dann auch noch …

 

Zum Schluss möchte ich aber dennoch einige begrüßenswerte Vorschläge der neuen BBB-Chefs anführen. Der Service der Bäder soll verbessert und ein Spielraum geschaffen werden, der diese Entwicklung günstig beeinflußt. Andere Öffnungszeiten an Feiertagen oder eine spätere Schließzeit am Abend sind darüberhinaus auch sehr positiv zu bewerten.

 

Neues Konzept hin oder her. Sonniges, warmes Sommer-Wetter in den nächsten Jahren könnte beim Vorhaben, die Umsätze zu steigern, hilfreich sein. Ich plädiere für ein neues Sommer-Wetter-Konzept! Bitte nehmt dieses in euer Stategiepapier mit auf.

 

 

Weitere Infos zum Thema:

rbb:
Interview mit Ole Bested Hensing, Berliner Abendschau vom 24.05.2013

“Neue Chefs wollen Berlins Schwimmbäder umgestalten” (rbb NACHRICHTEN vom 24.05.2013)

 

INFOradio:
Thomas Weber im Gespräch mit Ole Bested Hensing, INFOradio vom 24.05.2013

 

 

Infos zu den neuen Vorständen der Berliner Bäderbetriebe:

Ole Bested Hensing (48)
. ist in Dänemark geboren und in Bremen aufgewachsen. Er trainierte bis zu seinem 17. Lebensjahr in einer Schwimmleistungsgruppe
. TU Berlin: Wirtschaftsingenieurwesen
. Geschäftsführer der größten Freizeitanlage in Berlin-Brandenburg “TURM Erlebniscity”
. baute federführend das “Tropical Islands” und führte es 7 Jahre lang

 

Annette Siering (47)
. lernte Schwimmen im Strandbad Wannsee
. Industriekauffrau bei Siemens
. TU Berlin: Betriebswirtschaft
. New Jersey: Management-Master
. Treuhandliegenschaftsgesellschaft (TLG)
. “Stadt und Land” (landeseigene Wohnungsbaugesellschaft): u.a. Controlling, Geschäftsführung

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