Klar, Politiker wollen sich immer als Menschen zeigen, denn sie wollen von Menschen gewählt werden und sie wollen auf keinen Fall, dass diese Menschen vorher ihre Wahlprogramme lesen, die im Übrigen weitgehend ununterscheidbar sind. Alle wollen „eine lebenswerte Stadt“, „mehr Sicherheit“, „Zukunft für unsere Kinder“ und ähnlich unverbindlichen Quark. Also probiert man durch Bilder zu vermitteln, dass es sich ganz warm und kuschelig anfühlt, den Kandidaten zu wählen.
Der amtierende Bürgermeister wird ja in Berlin tatsächlich ob seiner Schlitzohrigkeit gemocht. „Berlin is alt aber arm“ oder so ähnlich, das hat vielen gefallen. Aber wenn man sich mit einer alten Frau fotografieren lässt für ein Wahlkampfplakat, dann sollte der Blick sagen: „Ich kümmere mich gern um ältere Leute“ und nicht „Guck mal, die Alte weiß nicht was hier passiert und wir machen daraus ein Wahlkampfplakat. Und dann schreiben wir wieder drunter ‚Berlin verstehen‘, was irgendwie voll die Doppelverarsche ist.“ Während die Frau denkt: „Herr Diepgen? Sie sind aber alt geworden.“ Auch die Handhaltung sollte fest und unterstützend für die Seniorin und nicht ein grobmotorischen Pinzettgriff von oben sein, der offensichtlich in der Sekunde gelöst werden kann, wo der Schuss im Kasten ist und der Kandidat sich sein Sagrotan-Tüchlein greifen kann.
Nicht weniger schlimm das Motiv „Schnappi“. Irgendwie lustig, sich von einem Spielzeugkrokodil beißen zu lassen, wobei wir vom Reptilienfonds auch Adressen mit Echt-Krokodilen hätten vermitteln können. Aber das Krokodil darf ja gerade nicht so groß sein, dass man das Gesicht dahinter nicht mehr erkennt. Und dann sollte dieses Gesicht nicht sagen: „Himmel, Arsch und Zwirn, wann ist diese Scheiße hier endlich vorbei, damit ich wieder im Borchards einen Pumps Champagner trinken kann?“
Das ist das Problem an diesen ständigen Headshots: Gesichter können sehr viel sagen, und das beschränkt sich nicht nur auf den Teil zwischen Nase und Kinn.