Ich würde sogar noch weiter als Freund und Kollege Jakob Hein gehen und von äußerst problematischen Wahlplakaten sprechen.
Der Fairness halber vorangestellt: Generell wäre es ja zu begrüßen, dass die FDP nicht mitmacht bei der ebenso inhaltsleeren wie langweiligen Köpfe-Plakatiererei. Was natürlich damit zusammenhängen mag, dass sie einfach über keine Köpfe verfügt, die irgendeinen Wählerstimmenzugewinn erhoffen ließen, weil eben niemand sie kennt. Also aus der Not eine Tugend machen und es mal mit Inhalten versuchen, haben sich die verbliebenen Strategen der FDP da wohl gedacht. Das Problem: Vermutlich sind einfach auch nicht mehr viele Strategen verblieben auf dem ja praktisch schon abgesoffenen Kahn, und wenn, dann jedenfalls nicht die besten. Um es unangebracht freundlich zu formulieren.
Fangen wir mal mit diesem hier an:
Das soll sicher witzig sein. Nur – wenn man von Witz und Humor nichts versteht, lässt man besser die Finger davon. Denn der hier ja direkt getätigte Vergleich des Schulsystems mit der Bundesliga, ironisch oder nicht, erlaubt auf jeder denkbaren Interpretationsebene nur den einzigen Schluss, dass die FDP nämlich das Gymnasium natürlich als Bundesliga betrachtet, dann aber halt, anders ergibt es nun mal keinen Sinn, Real- und Hauptschule als 2. und 3. Liga, ihre Schüler entsprechend als zweit- und drittklassig, so ja die im Sport übliche Bezeichnung. So will die FDP das garantiert nicht verstanden wissen. Das Dumme dabei: Man glaubt es ihr nicht. Sondern man glaubt, dass die das exakt so meinen, wie sie es auf ihr Plakat gedruckt haben. Um in der Sportsprache zu bleiben: ein klassisches Eigentor.
Denn das ist ja schon mal dumm, wenn man sich eigentlich über ein politisches Ziel, nämlich die „Einheitsschule“, lustig machen will, und es aufgrund mangelnder sprachlicher Möglichkeiten dann nicht hinbekommt.
Noch dümmer ist aber, wenn man daneben folgendes Plakat hängt:
Auf das Inhaltliche will ich hier gar nicht erst eingehen, obschon die gewollte Provokation hier ebenfalls aufgrund unbeholfener Formulierung bereits am Start verreckt (denn nach einer Luxussanierung kann ja der Großteil der Bevölkerung eben erst recht nicht mehr Wohnungen mieten, wo und wie er will). Aber wenden wir uns einfach nur dem bildungsbürgerlichen Minimum eines Schriftplakates zu: der Zeichensetzung. Da ist nämlich ein satter Kommafehler im Antwort-Satz, es müsste heißen: „Für uns ist es kein Luxus, wenn Sie mieten, kaufen oder renovieren können, wo und wie Sie wollen.“ Also mit Komma nach „können“. (Wer’s nicht glauben mag: Duden, Band 4 (Grammatik), § 1667, freier Relativsatz, Beispiel: „Die Kirche wurde erbaut, wo vorher ein keltisches Heiligtum stand.“)
Natürlich, Schreibfehler kommen vor. Aber kann man über Plakate, mit denen man vermutlich tausendfach die ganze Stadt zukleistert, nicht mal irgendwen drübergucken lassen, der die Grundzüge der deutschen Sprache beherrscht?
Nö, kann man nicht. Nicht bei der FDP jedenfalls. Die kennen vermutlich einfach niemand, der korrektes Deutsch kann. Denn jetzt hat die Partei im Schlussspurt noch mal nachgelegt:
Ich habe erst einen Moment geglaubt, das könnte so ein Parodie-Plakat einer Satire-Gruppe sein, aber da es von der FDP selbst weiterverbreitet wird, gehe ich davon aus, dass es echt ist. Mit geschlagenen drei Kommafehlern (was bei vier Zeilen immerhin bedeutet, dass die FDP eine sogar fehlerfrei hinbekommen hat):
- Bei „wichtiger als“ darf kein Komma hin, denn „als Tempo 30 für ganz Berlin“ ist kein Nebensatz.
- Dasselbe gilt für „als zum Jobcenter“, also kein Komma nach „Job“.
- Dafür, praktisch zum Ausgleich, muss allerdings zwingend ein Komma gesetzt werden bei „langsam, aber sicher“ (vgl. auch Duden, Regel 113).
Um dem notorischen Gequengel gleich vorzugreifen: Das alles hat nichts mit neuer Rechtschreibung zu tun, das war früher auch so.
Bleibt die Frage, ob die FDP mit „Die neue Wahlfreiheit“ die Zeichensetzung meint. Für den FDP-Nachwuchs möchte man aber ganz dringend wünschen, dass er eine „Einheitsschule“ besuchen kann. Damit er dann hoffentlich etwas mehr Bildung mitbekommt als „die neue FDP“.