vonSchröder & Kalender 13.03.2008

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Der Bär flattert auf halbmast in östlicher Richtung.

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Im Februar erhielten wir eine Mail von Peer Schröder zur autorschaft von Willi Münzenberg, die wir hier bringen:

»Liebe Barbara Kalender, lieber Jörg Schröder,

sicherlich interessiert Sie, daß die Autorschaft von Münzenbergs Propaganda als Waffe nicht mehr als gesichert gilt. Sehen Sie, wenn Sie Zeit und Muße haben, in beigefügtem Anhang, was ich vor einigen Jahren recherchierte. An diese historischen Detail erinnerte ich mich, als meine Frau und ich den Buchumschlag in der März Rolle wieder sahen. Gut, dass es die ›März Akte‹-DVD gibt.

Mit freundlichen Grüßen
Peer Schröder

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Während seines Prager Exils reiste Kurt Kersten mehrere Male nach Frankreich. Seine Briefe vom 21. Januar und 9. Februar 1937, sowie die später datierten vom 13. März, 14. April und 24. April 1937 belegen seine Anwesenheit in Paris (Nachlaß Stadtmuseum Kassel). Am 13. Mai 1937 war er in Straßburg im Verlag Sebastian Brant, Imprimerie Francaise, Place du Corbeau, um die Drucklegung des Buches zu überwachen. Im Mai 1937 erschien “Propaganda als Waffe” in den Pariser Editions du Carrefour.

“Kurt Kersten übersiedelte damals von Prag nach Paris und unterstützte ihn [Münzenberg] bei den Vorarbeiten zu ‘Propaganda als Waffe’. Kersten vor allem war die umfangreiche Sammlung von Material aus nationalsozialistischen Quellen zu danken, die dem Werk als Grundlage diente.” Babette Gross: Willi Münzenberg. Eine politische Biographie. Stuttgart 1967, S. 311 (Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 14/15).

“Willy war nicht fähig, einen einzigen zusammenhängenden Absatz zu schreiben […]” (Arthur Koestler: Die Geheimschrift. Bericht eines Lebens. 1932 bis 1940. Wien/München/Basel 1955, S. 217).

Kurt Kersten über Willi Münzenberg (“Das Ende Willi Münzenbergs. Ein Opfer Stalins und Ulbrichts”, Deutsche Rundschau, 5/1957, S. 484–499):
“Der halbgebildete Dorfjunge sprach keine fremde Sprache, vermochte sogar nicht einmal einwandfrei zu schreiben […]” (S.486 f.).

“Er hatte ein Buch ‘Propaganda als Waffe’ veröffentlicht, in dem er die Propagandamethoden Hitlers eindringlich schilderte und auch darlegte, wie man Hitler wirksam begegnen könnte. Die Partei ließ das Buch vernichtend kritisieren und warf ihm vor, bürgerliche Methoden anzupreisen […]” (S. 491).

“[…] Heinrich Mann [hatte] Münzenbergs Buch ‘Propaganda als Waffe’ in einem Aufsatz in der ‚Neuen Weltbühne‘ als meisterhafte Darstellung der Propagandamethoden Hitlers gerühmt” (S. 491 f.).
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Münzenberg, Willi: ›Propaganda als Waffe. Ausgewählte Schriften 1919 bis 1940‹. Herausgegeben von Til Schulz. Brosch., 364 Seiten, (8°). Umschlaggestaltung: Jörg Schröder. März Verlag, Frankfurt a. M. 1972. (Im Herbst 2011 erscheint eine Neuausgabe in der MÄRZ-Edition der Büchse der Pandora.)

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Ein “halbgebildeter Dorfjunge”, der nicht einmal in der Lage gewesen war, einwandfrei zu schreiben, sollte ein Buch wie “Propaganda als Waffe” verfaßt haben, das als “meisterhafte Darstellung” gerühmt wurde? Inhaltliche Übereinstimmungen sowie für Kersten charakteristische Eigenheiten des Schreibstils legen die Schlußfolgerung nahe: Kurt Kersten ist der Verfasser von “Propaganda als Waffe”. Vergleiche Beiträge, die Kersten zu jener Zeit unter anderem in “Der Zukunft” und im von ihm herausgegebenen “Deutschen Freiheitskalender 1939”, Straßburg 1938, veröffentlichte.

Kurt Kersten teilt Manfred George in einem Brief mit, daß er das unter Münzenbergs Namen 1937 veröffentlichte Buch “Propaganda als Waffe” geschrieben habe. Betreffender Brief von K.K. an Manfred George aus Martinique befindet sich im Deutschen Literaturarchiv Marbach am Neckar, Bestand: A: George 75.2994–3001: “Ich glaube, ich begehe keine Indiskretion, wenn ich aus seinem letzten Brief, den er [Kersten] mir […] geschrieben hat, die folgenden Zeilen zitiere: ‘Da Du gewiss einen Nachruf schreiben wirst, so sollst Du bemerken, dass Willi Münzenberg der Mann war, der grösste Bedeutung für mich gehabt hat und dass ich ihm treu blieb. Du sollst auch sagen, dass ich ‘Propaganda als Waffe’ geschrieben habe […]’”. Manfred George: “In memoriam Kurt Kersten. Ein tapferes Leben”, Aufbau/Reconstruction, Vol. XXVIII–No. 21, 25.5.1962, Titel und S. 2.

“He [Kersten] went to Prague and later to Paris, where he published a book, ‘Propaganda as a Weapon’. Zitiert aus dem Nachruf “Dr. Kurt Kersten of Aufbau is dead”, ohne Verfasserangabe in: The New York Times, 22.5.1962, S. 38. Ein Vergleich mit Manfred George´s Todenrede “Kurt Kersten – Historian and Author” (ebenfalls im Literaturarchiv Marbach a. N.) läßt darauf schließen, daß George der Verfasser des Nachrufs war.

Emil Berger schrieb am 10. Juni 1957 aus Mexiko an Kurt Kesten:  “[Ich will] Dir mitteilen, dass unser guter Hans mir die Frankfurter Hefte N.5 geschickt hat, worin Dein Artikel ueber Willi erschienen ist. Kurt, ich bin Dir wirklich sehr dankbar, dass Du es doch noch fertig gebracht hast und dem Willi ein Denkmal gesetzt hast. Schliesslich hat er ja doch viel fuer die Arbeiterbewegung getan und nicht nur in Deutschland. Mir war der Gedanke immer schrecklich, dass ein Mensch wie Willi einfach wie ein krummer Hund verscharrt und niemand mehr darueber ein Wort verlieren koennte. Als ich 1932 und dann wieder 1937 im Lenin-Museum in Moskau war, da gab es eine Wand, die bedeckt war mit Photos und Berichten seiner Vergangenheit. Die sind natürlich 1937 alle verschwunden; wie uebrigens auch viele Freunde in diesem Jahr verschwunden sind.” (Zit. n.: maschinenschriftlicher Brief, Stadtmuseum Kassel). Emil Berger war langjähriger Chauffeur und Freund Willi Münzenbergs.

Wir haben Peer Schröders Brief nebst Anmerkungen an Til Schulz, den Herausgeber von ›Propaganda als Waffe‹ geschickt. Seine Antwort bringen wir morgen.

(PS / BK / JS)

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