von 09.10.2009

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praktistreik1Wie waren wir verunsichert in den letzten Wochen. Darüber, ob wir in der Kürze der Zeit einen Prakti-Streik auf die Beine und ob sich genügend Leute hinter uns stellen würden. Genügend Zweifler, Kopfschüttler und Fremdschämer gab es ja. Aber da mussten wir nun mal durch. Und sind nun mächtig stolz auf uns.

Um 8:30 Uhr trafen wir uns heute morgen in der taz, um Banner, Sandwich-Schilder und Bürostühle aus unserem Streik-Büro zu holen und diese rüber zum Potsdamer Platz zu schaffen. Dort wurde alles in Rekordzeit aufgebaut. Erste Erleichterung: nachdem uns gestern die eigentlich eingeplante Band abgesprungen war, fand sich doch noch das sehr coole Duo Ben Butler & Mousepad ein und auch die Anlage vom Lauti-Wagen der GEW lief, die Polizei war uns gut gesonnen und das Wetter – gestern noch grau in grau – war auf unserer Seite: Es regnete nicht. Es streikte!

Als dann die ersten Mitstreikenden mit eigenen Bannern auftauchten waren wir selig. Mit rund 200 Streikenden folgte dann doch eine Menge dem Streik-Aufruf. Das ist schon mal ein Anfang. Der Großteil der anwesenden Praktikanten kamen aus dem Medien- und Kulturbereich, aber mit den Azubis des Pestalozzi-Fröbel-Hauses waren auch Pädagogiker dabei.

praktistreik2Und auch die Medienvertreter waren zahlreich und wir schwer beschäftigt, Interviews zu geben und Rede und Antwort zu stehen. Gleich zu Beginn fiel ein Medium etwas unangenehm auf: Der Radiosender Fritz. Noch vor uns mit ihrem Mobil auf dem Platz gewesen, verschüttete Frühaufsteher Axel Robins Kaffee über unser liebevoll bemaltes Banner (Nichts für ungut, Axel!). Robin musste dann ungedoped unsere Begrüßungsrede halten. Er forderte die Praktikanten auf, sich zu solidarisieren: „Die Situation wird sich nicht ändern, bis die Praktikanten nicht aufhören, sich ausbeuten zu lassen. Nur gemeinsam können wir gegen dieses System ankämpfen – äh, das sind ganz schön viele Kameras hier!“ waren seine Worte. Danach sprachen noch Bettina König und Florian Lamp von fairwork e.V. über die fehlende Haltung der neuen Regierung zur Situation der Praktikanten. Weitere Unterstützung erhielten wir von der DGB-Jugend, ver.di und der GEW Berlin, deren Vertreter die Praktikanten dazu aufriefen, stärker für ihre Rechte einzutreten. Renate Gentsch von der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in Ver.di riet dazu, sich in den jeweiligen Betriebsräten zu engagieren: „Ihr müsst laut werden und protestieren gegen die schlechten Verhältnisse!“

praktistreik3Nach den Redebeiträgen heizten Ben Butler & Mousepad die Demo an. Zu ihrer Synthi-Pop-Minimal-Electro-Mucke spielten wir die Reise nach Jerusalem auf Bürostühlen und kämpften um den letzten freien Arbeitsplatz. Danach stellte beim Spiel „Simon says“ Tobias alias Simon Fragen wie „Wer von Euch hatte schon mal eine sogenannte Prakti-Depression?“ Alle mussten sich aufstellen und über eine Kreidelinie gehen, je nachdem, ob sie sich angesprochen fühlten oder nicht. Ein riesiges mit Kreide auf den Platz gemaltes „Himmel und Hölle“ stellte dar, welche vielen Stationen die Studenten, Absolventen und Auszubildenden in ihrem Lebenslauf erst durchlaufen müssen, bevor sie den „Arbeitshimmel Festanstellung“ erreichen. Anna Mauersberger brachte es bei ihrer Moderation auf den Punkt: Was aussieht wie Kinderspiele ist knallharte Realität.

Trotz der prekären Situation hatten wir eine Menge Spaß.

Dies ist ein Artikel der Streik-OrganisatorInnen. Die Fotos sind von Doris Benjack, der Praktikumsbeauftragten der taz.

Siehe auch

– Interview mit der Streik-Mitorganisatorin Anna Mauersberger: „400 Euro mindestens sollten es sein“
– Das Blog zum Streik
– Streikposten bei Facebook, StudiVZ und Twitter
Streikbeilage in der taz (PDF)
Pro & Contra Praktikanten-Streik
– Interview mit der Streik-Mitorganisatorin Sofia Shabafrouz: “Dieses Dauerpraktikanten-Dasein ist ein Teufelskreis”

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