vonMathias Broeckers 29.04.2010

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Es macht schon Sinn, eine Konferenz über ‚Psychedelic Science in the 21st Century‘ in San José im Silicon Valley stattfinden zu lassen – wie es MAPS am vorvergangenen Wochenende tat. Leider konnte ich nicht dabei sein, aber seit ich vor 20 Jahren an der „Cyberthon“- Konferenz über virtuelle Realität mit Tim Leary, Terence McKenna, John Perry Barlow u.v.a. teilnahm und morgens um vier in San José im Büro eines jungen Musikers und  VR-Bastlers – des heute weltberühmten Jaron Lanier – das erste mal in den Cyberspace eintauchen konnte, ist mir die Verbindung zwischen digitaler Magie und magischen Pilzen ziemlich bewußt. Der Schamane, der das Tal südlich von San Francisco verzaubert hatte, war der Ingenieur Myron Stolaroff, der nach seiner ersten LSD-Erfahrung seinen Job als Chef-Designer des Audio-Herstellers „Ampex“ aufgegeben und 1961 das „International Institute for Advanced Studies“  eingerichtet hatte, das sich der Erforschung von Psychedelika und ihrem Einfluss auf kreative Problemlösungen widmete. Bis zu seiner mit dem Verbot von LSD 1966 angeordneten Schließung hatte  das Institut Sitzungen mit 350 Personen durchgeführt – darunter zahlreiche  Techniker, Mathematiker und Ingenieure der nahen Stanford-Universität. Viele aus dieser Gruppe gehörten dann 10 Jahre später zu den Pionieren, die aus dem zentralen „Elektronengehirn“ der Großkonzerne den vernetzen PC entwickelten – und aus den Nachrichtenverbindnungen für das Militär, das sie in Stanford entworfen hatten, das zivile Internet und email: „Tune in, Turn on, Boot up!“ Und so überrascht es auch nicht einer der Internet-Pioniere – John Gilmore, ehemaliger SUN-Chefprogrammierer –  auf der diesjährigen Konferenz darüber berichtet, dass er mit Logik allein bei seinen Problemen nicht weitergekommen wäre: „My experiences with psychedelics convinced me that there was more mystery in the world than that and that our perceptions are not as closely matched to reality as we believe.“ Dieser Blick über den Tellerrand verhalf Gilmore vermutlich auch zu der Formulierung, die zum Leitsatz der Netzfreiheit wurde: „The Net interprets censorship as damage and routes around it.“

Neben derlei historischen Verdiensten von Psychedelika in der Technikentwicklung ging es bei der Konferenz aber vor allem auch um ihr aktuelles Potential – wie beispielsweise die überaus positiven Ergebnisse von Therapien mit MDMA („Ecstasy“) bei post-traumatischen Stress-Disorders (PTSD)  („Party Drug could ease trauma long term“, so  Nature, weitere Links dazu hier ). Dass unlängst die New York Times auf ihrer Titelseite ausführlich über die erstaunliche anti-depressive Langzeitwirkung von Psilocybin berichtete wird als Zeichen für eine Renaissance der psychedelischen Forschung gesehen, die jahrzehntelang zumindest offiziell kaum stattfinden konnte. So scheinen nun bizarreweise die massenhaft traumatisiert aus dem Krieg heimkehreneden Veteranen dafür zu sorgen, dass der „Krieg gegen Drogen“ zumindest an der Front der „Friedensdrogen“ etwas gelockert wird…

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