vonDetlef Berentzen 05.11.2011

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„Wer unsere Radio-Features hört, schenkt uns 40 Minuten Lebenszeit. Und wir müssen dafür sorgen, daß er dafür etwas zurückbekommt. Und das wichtigste ist, daß der Hörer es verstehen, der Geschichte folgen kann. Erst dann kommen die ästhetischen Parameter wie szenische Umsetzung, Dramaturgie, Erzähler und Musik.“ ( Liam O’Brien)

Eine der neuen „Spuren“ führt zum „Prix Europa“. Die seit 25 Jahren existierende Leistungsschau der öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehredaktionen fand in Berlin (s. Foto) und in der letzten Woche statt. Insofern kommt das monatliche Medienmagazin „Mehrspur“ (SWR2), das am Sonntag (6. November, 19.30 Uhr) wieder zu hören sein wird, aktuell genug daher. Redakteur Wolfram Wessels war höchstpersönlich vor Ort, hat all die Versuche von Radiokunst gründlich reflektiert und in puncto Feature und Hörspiel ein paar Delikatessen (es gab auch Hausmannskost!) für den kleinen Audiohunger mitgebracht.

Darunter auch ein Gespräch mit dem irischen Jurychef der Sparte Hörfunkfeature, Liam O’Brien: „Grundsätzlich gilt: gute Geschichten sind überall gute Geschichten, weltweit, europaweit. Was wir hier gehört haben, ist, wie diese Geschichten in den jeweiligen Ländern für die jeweiligen Hörer erzählt werden!“ Voilá, nicht mehr, nicht weniger. Und dann war es letzlich eine Geschichte von Eva Roither (ORF) die mit ihren „Szenen einer Zweckgemeinschaft“ die Jury des dokumentarischen Features preiswürdig überzeugte, …genauer mit der über eine verdammt lange Zeit recherchierten Beziehung von zwei außergewöhnlichen „Herrinnen“, die auf einem Schloß und überhaupt. Strange enough! Gratulor!

Eine andere Tonspur des SWR2- Medienmagazins macht (wie so oft) qualifizierte Kritik am schwer verbrauchten journalistischen Ethos der öffentlichen Anstalten hörbar. Eine quicklebendige Kritik in eigener Sache, die von den Anstalten leider viel zu wenig zu hören (oder zu sehen) ist. Insofern öffnet „Mehrspur“ mutig Türen und Fenster, lüftet die Redaktionsstuben ordenlich durch – Wessels gibt in der neuen Ausgabe seines Magazins Walter von Rossum das Wort. Am Beispiel der Berichterstattung über Aufstände und Revolutionen in Nordafrika zieht der ein bitteres Fazit in Bezug auf all die traditionellen Wahrnehmungsstörungen und kalte Routinen seiner Journalistenkollegen:

„Was da im Dezember in Tunesien begann, das war einfach nicht vorgesehen in der gängigen journalistischen Weltwahrnehmung. Dass die angeblich politisch apathischen arabischen Jammerlappen binnen Kurzem fiese Diktatoren durch beherztes und kluges ziviles Engagement beseitigten konnten, hatten unsere Kommentatoren im Schulterschluss mit der Politik zuvor stets ausgeschlossen. (…)Diese Art, die Welt wahrzunehmen, hat gewiss wenig mit der Qualität gemein, die Qualitätsjournalisten sich selbst gerne bescheinigen. Und mit Sicherheit spielt eine Rolle dabei, dass die meisten Journalisten sich den Luxus einer eigenständigen Wahrnehmung nicht leisten.“

Vielleicht hört ja wieder jemand zu. Und beginnt zu merken. Mehrspur animiert jedenfalls zum Hinhören. Und fragt wie immer nach der Zukunft des eigenen Mediums – auch Uwe Kammann (Grimme-Institut) nach der Zukunft des Hörspiels. Oder die kooperierende Medienredaktion der taz nach ihren neuesten „tagebuch“-Notizen. Doch die fallen diesmal aus. Die Redaktion wird personell renoviert. Macht nix!? Ein bißchen neue Farbe kann nie schaden. Und inspiriert letzten Endes vielleicht  zu neuen Taten am Thresen der SWR2-Hörbar. Dig it, David! Just listen!

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