vonErnst Volland 27.07.2009

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Der Rapper

Die Tür wird aufgezogen und ein schlanker junger Mann, das halbe Gesicht mit einer Sonnenbrille verdeckt, fragt höflich, ob im Abteil noch ein Platz frei sei.

Ich sitze mit einer Freundin und einem mir unbekannten älteren Herrn im Abteil und alle bejahen wir gleichzeitig diese Frage. Der junge Mann verstaut seinen Trolli auf der Gepäckablage, dann macht er es sich in seinem Sitz, direkt an der Tür, bequem.

Sein Outfit ist sehr auffällig. Der signalrote und bequeme Trainingsanzug ist auf der Brust mit silberner Schrift bestickt, um den Hals hängen mehrere goldene Ketten. Auf dem Kopf trägt er ein Base cap, den Schirm nach hinten gedreht. Den Spann seiner Schuhe bedeckt ein Stück Brokatteppich. Ich habe dieses Schuhmodell noch nie gesehen.

Der Schaffner kommt nach einigen Minuten und ich höre, wie der junge Mann, der aussieht wie ein Rapper, der gerade von der Bühne gesprungen ist, mit der Schaffnerin in einem Idiom aus Deutsch, Bronxamerikanisch und einer Spur Türkisch spricht.

Auf dem Gang huschen zwei etwa 12jährige Mädchen vorbei und kehren auf die gleiche Weise wieder zurück. Kurze Zeit später passieren fünf Mädchen im gleichen Alter den Gang im Zug. Auch sie kehren wieder zurück. Der Rapper zieht die Tür auf und ruft:

„Nun kommt schon rein!“

Die Traube der Mädchen hält vor dem Rapper, der ruhig sitzen bleibt.

„Wollt ihr ein Autogramm?

Die fünf Mädchen verschwinden sofort und kehren mit Notizblöcken und Zetteln zurück.

Mit einem freundlichen Lächeln schreibt der Rapper auf jede Seite seinen Namen. Er fragt auch nach den Namen der Mädchen und hat für jedes von Ihnen noch eine persönliche Bemerkung. Jedes Mädchen schaut sich die Signatur des Rappers genau an, dann verschwindet die Fünfergruppe wieder.

Nach einigen Minuten kommt die Gruppe wieder an die Tür. Das erste Mädchen hält eine Digitalkamera in der Hand und fragt, ob sie ein Foto mit ihm machen könnten. Spontan sagt der Rapper zu und lässt sich nicht nur mit der Gruppe fotografieren, sondern stellt sich paarweise mit jedem Mädchen für ein Foto zur Verfügung. Dabei grätscht er mit den Beinen auf dem Gang des Zuges, damit die Größenverhältnisse nicht zu unterschiedlich sind und er mit dem jeweiligen Mädchen auch auf dem Bild zu sehen ist. Jedes Mal spreizt er zwei Finger der linken Hand zu einem Victory Zeichen. Die Aktion macht ihm Freude und es sieht aus, als ob solche Begegnungen für ihn zum täglichen Geschäft gehören.

Als die Mädchen verschwunden sind, frage ich den Rapper, ob es den Trainingsanzug auch in gelber Farbe gibt. Er antwortet, er habe davon vier. Einen roten, gelben, blauen und grünen.

Das seien seine Lieblingsfarben. Ich frage ihn, ob er ein Rapper sei und Musik mache.

Nach einer kurzen Pause sagt er, ohne eine Miene zu verziehen, er arbeite als Kochgehilfe in einem Berliner Hotel. Das Rapperoutfit sei das beste Outfit, das er habe. Alle meinen, er sei ein Rapper, ob er nun auf der Straße laufe oder in ein Sterne Restaurant gehe.

„Im Restaurant werde ich bevorzugt bedient, vor all den Schlipsträgern. Ein gutes Trinkgeld von mir ist selbstverständlich und Autogramme, wie eben, gebe ich manchmal Hundert am Tag. Sie glauben gar nicht, was das für einen Spaß macht.“

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