von 14.04.2010

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Vor ca. zehn Tagen wurde der weiße Rechtsextreme Eugene Terreblanche auf seiner Farm von zwei schwarzen Arbeitern ermordet. Zunächst gaben die beiden jugendlichen Mörder als Tatmotiv an, Terreblanche hätte sich geweigert, ihre Löhne auszuzahlen, änderten aber ihre Geschichte, und behaupten mittlerweile, Terreblanche habe sie sexuell belästigt. Die Fakten sind noch unklar. Das Einzige, was einigermaßen sicher scheint, ist, dass hinter der Tat kein politisches Motiv steckte.

Die Medien stürzten sich auf die Geschichte – und die Berichte klangen, als ob die Rassen hier bald Amoklaufen und sich gegenseitig abschlachten. In Wirklichkeit lief aber nur die Presse ein bisschen Amok.

Allen voran  die britische Klatschpresse. Im “Daily Star” wurden Engländer davor gewarnt nach Südafrika zu reisen, weil auf den Straßen bereits ein “Machete-Rassen-Krieg ” tobe.  Englische Fußballfans seien selbstverständlich (und logischerweise) Zielscheibe Nummer eins. Die WM müsse wegen dem brutalen Bürgerkrieg auf das nächste Jahr verschoben werden – usw.

Die deutsche Presse berichtete, wenn auch recht besorgt, weitaus reservierter. Der Stern behauptete etwas verschwörungstheoretisch: „Mutmaßungen über ein politisches Motiv machen die Runde“ und: „Die Furcht wächst, dass sich jetzt die Spannungen zwischen Weißen und Schwarzen am Kap weiter verschärfen könnte“ – was den Eindruck erweckt, als ob man ihier auf einem Pulverfass sitzt, das jede Minute explodieren könnte. Die Unzufriedenheit und der Frust zwischen Bürgern und Regierung wurden anhand von Aussagen von Julius Malema und Eugene Terreblanche zu „verschärften Anspannungen zwischen weißen und schwarzen Südafrikanern” hochstilisiert bzw: umformuliert. Aber: Malema und Terreblanche – die zwei rechtsextremsten Politiker Südafrikas – repräsentieren nicht die Stimmung des Landes; die NPD spiegelt ja  auch nicht die Einstellungen des durchschnittlichen Deutschen wieder.

Weiter hieß es dann im Stern: „Die Ermordung fällt in einen für Südafrika kritischen Zeitraum. Die Fußball-Weltmeisterschaft beginnt in wenigen Wochen und viele sind wegen der zunehmenden Rassendiskriminierung beunruhigt.“ Apartheid ist seit 1994 offiziell abgeschafft, Rassendiskriminierung strafbar. Südafrika leidet an Apartheids-bedingter sozialer Ungleichheit; das Wort „Rassendiskriminierung“ klingt eher nach den Zuständen der 80er Jahren.

Der Artikel endete schließlich mit der Schlagzeile: „In den Armenvierteln Südafrikas gibt es Dauerkrawalle.“ – Abgesehen von den Angriffen auf afrikanische Immigranten im Mai 2005, die mit Konflikten zwischen weiß und schwarz nichts zu tun hatten, fanden die letzten „Krawalle“ in südafrikanischen Townships 1992/3 in KwaZuluNatal statt.

Der Titel des besorgten Artikels lautete übrigens: “Südafrika bangt um seine WM”. Ehrlich gestanden, ist das große südafrikanische WM-Bangen hier unten völlig an mir vorbeigegangen. Mir sind keine bangenden Gesichter aufgefallen, und auch keine WM-bezogenen bangenden Medienreporte.

Dafür bangte der Spiegel mit dem Stern mit: „Der Tod des landesweit bekannten Rassisten [Eugene Terreblanche] schürt Ängste, die Polizei könne die Sicherheit während der Fußball-Weltmeisterschaft im Juni und Juli nicht gewährleisten.“ – Kurze Frage: Was hat der Mord an einem Farmer in einem entlegenen Kaff, der seine Arbeiter nicht bezahlt, mit der Fußball-WM zu tun? Ich erkenne wohl einen Zusammenhang zwischen der Tat und den völlig unreglementierten und schlechten Arbeitsbedingungen auf südafrikanischen Farmen – nicht aber den zwischen der Ermordung eines gewalttätigen Farmers und einem Fußball-Touristen.

Um das Ausmaß der Rassenkrise weiter zu verdeutlichen, führte der Spiegel auch aus, es sei „schon vor dem Mord an Terre Blanche […] immer wieder zu Ausschreitungen zwischen Schwarzen und Weißen gekommen.“ Wann? Wo? Und: „immer wieder“ –?  Die letzten größeren gewaltsamen Ausschreitungen zwischen weißen und schwarzen südafrikanischen Bürgern, die mir bekannt sind, fanden Mitte des 19. Jahrhunderts statt. Während der Apartheidszeit gab es gewaltsame Konflikte zwischen der Polizei und schwarzen Bürgern – nicht zwischen den Bürgern selbst. Nicht einmal gegen Ende der Apartheid kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen weiß und schwarz.

Die Süddeutsche holte Gottseidank nicht ganz so weit aus: „In zehn Wochen lädt sie (die Nation Südafrika) die ganze Welt zur Fußball-WM ans Kap. Sie will sich als versöhnliche und tolerante Gesellschaft präsentieren, als Modell für den ganzen Kontinent.“ – Südafrika will sich als „versöhnliche und tolerante Gesellschaft“ präsentieren – ist es aber selbstverständlich nicht, denn: „Wenn nun der Rassenhass wieder offen aufbrechen sollte, ist dies ein irritierendes Signal hinaus in die Welt.“ Mit anderen Worten: hier schwelt die ganze Zeit der Rassenhass, der nun völlig unkontrolliert ausbrechen könnte. Aber selbst wenn der Rassenhass diesmal nicht „offen aufbrechen” sollte,  kocht er  dennoch weiter im Verborgenen  vor sich hin.

Hilfe!  Jetzt frage ich mich aber langsam wirklich: In was für einem fürchterlichen Land voller hasserfüllter Rassisten lebe ich hier eigentlich?

PS. Ich habe letzte Woche, als hier fast quasi der Bürgerkrieg zwischen weiß und schwarz ausgebrochen ist, in Oudtshoorn, einer Hochburg von Afrikaanern -und Sträußen, verbracht. Dort fand das alljährliche Afrikaanse Kulturfest „KKNK“ statt. Ich habe viel Afrikaanse Volksmusik gehört. Vielleicht ein bisschen zu viel. Und viel gesehen. Wenn auch keinen Rassenhass. Die Fotos lade ich dann in den kommenden Tagen für Euch hoch! Dann könnt Ihr Euch ein BILD machen   😉

eure elena **

Elena Beis. My Name is not Sisi. Kulturkollison x 11. Ein deutsches Pärchen reist durch Südafrika. Erschienen März 2010 bei Conbook Medien, 9,95€

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