Reality Glitch Bio

Im Alltag wird oft gelebt wie in verbrauchter Luft. Szenen fliegen vorbei wie unsichtbare Fliegen. Kommen und gehen wie Meeresbrandung, kleben wie ein Kaugummi an der Schuhsohle, spionieren herum wie eine Überwachungskamera auf der Suche nach Verdächtigem. Sie stets spüren, aber nicht verstehen können, nervös werden, panisch zu einer Kategorie greifen und sie dort hineinzwängen – und wieder mal die Chance verpassen, alles ganz anders und neu zu sehen. Blind sein für die andere, parallel zur Gegenwart ablaufende Wirklichkeit.

Reality Glitch geht Szenen des Alltags nach und versucht, dem Sturm der Sinnes-Informationen eine Form zu geben, die den üblichen Jump-Cut zwischen Beobachtung und Beurteilung vermeidet: eine Szene auf Stopp schalten, während sie geschieht, nahe heranzoomen, schauen, woraus sie besteht, ihr zuhören, mit ihr tanzen, bevor sie müde wird oder bricht, weil zu stark auf ihre Oberfläche gelehnt, sie auseinandernehmen und wieder neu zusammensetzen: laut nachdenken, labern, ausprobieren, vielleicht auf die Fresse fallen, wieder aufstehen, den Staub von der Hose klopfen und weitergehen.

Yes, auch das ist Politik, nicht nur die chauvinistischen Welterklärungen, die sich mit großen Begriffen wie Kapitalismus oder Klimawandel bewaffnen, damit sich alle brav vor ihnen fürchten. Der Entfremdung nicht mit pastoralen Fantasien, sondern mit mehr Entfremdung begegnen. Wie heißt es im xenofeministischen Manifest? Wenn die Natur ungerecht ist, müssen wir eben die Natur verändern.

Reality Glitch ist ein weirdes Schreib-Experiment, mal poetisch, mal hyperreal, mal literarisch, mal wtf!? Der Inhalt macht die Form, nicht umgekehrt. Keine Ahnung, ob das funktioniert. Doch ein Versuch ist es wert. Bock drauf?


Philipp Rhensius aka Alienationist ist Autor, Musiker, Soziologe und Editor von Norient. Seine Texte und Musik sind von der Idee getrieben, dass das Fühlen der Ketten ein erster Schritt der Emanzipation ist. Bei Norient arbeitet Rhensius mit Künstler*innen, Denker*innen und Autor*innen aus über 52 Ländern zusammen mit dem Ziel, globale (sub)kulturelle Vielfalt zu fördern. In seinen Musik-Projekten (Kl.ne, aphtc, Alienationst, INRA) und mit dem Label Arcane Patterns verschmilzt Rhensius Sonic Fiction, Clubmusik, Poesie und queere Theorie. Seine Texte werden u.a. in der Taz, Spex, FAZ, Van Magazine, SZ, De:Bug, NZZ und diversen Buchbänden veröffentlicht.

Kontakt: IG