Oben: Vor einem Jahr war’s ein Jahr her.
Unten: Pinochet-Fans bei dessen Totenfeier vor zwei Jahren (Foto: The Clinic)
Am gestrigen zweiten Todestag wurde auch die Komplizenschaft zwischen einflussreichen Teilen der katholischen Kirche und den Putschisten von ’73 wieder einmal mehr als deutlich. Kardinal Jorge Medina ließ es sich nicht nehmen, eine Gedenkmesse in der Militärkathedrale zu zelebrieren und in seiner Predigt Pinochets Opfer moralisch zu diskreditieren:
Unser Land braucht die Vergebung, es ist der einzige Weg zum Frieden. Statt zu vergeben, verlangen aber viele „Gerechtigkeit“ – ein Wort, das ein anderes, hässlicheres Wort verbirgt, das sie sich nicht trauen auszusprechen. Dieses Wort heißt „Rache”.
Der Kardinal, von 1998 bis 2002 Präfekt der vatikanischen Gottesdienst-Kongregation, ist also der Ansicht, die Opfer müssten vergeben – obwohl niemand sie um Vergebung gebeten hat -, und die juristische Aufarbeitung von Verbrechen einzufordern hält er für den Ausdruck archaischer Rachegelüste – wo doch gerade die Herstellung von Gerechtigkeit Rache überflüssig macht.
Dabei hatte man eben erst mit einem anerkennenden Nicken zur Kenntnis genommen, dass der Vatikan auch dank Medinas Einfluss die „Legionäre Christi“ kritisch ins Visier genommen hat. Die extrem konservative katholische Priester- und Laien-Kongregation genießt unter den Reichen und Mächtigen Lateinamerikas zunehmende Beliebtheit. Allerdings ist die offenkundige Abneigung Kardinal Medinas gegenüber den „Legionären“ in erster Linie den Praktiken ihres Gründers, des Mexikaners Marcial Maciel, geschuldet, dem sexueller Missbrauch von minderjährigen Seminaristen vorgeworfen wurde. Mehr dazu hier.