vonHelmut Höge 02.09.2010

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Das komplette Spusi-Kom Weimar verabschiedet sich vom (historischen) Tatort  (ganz vorne im Bild Staatsanwalt Dr.Weber)


„Wie die Heiligen sollen wir das Spurensicherungskommando Jesu in unserer Welt sein.“ (Kardinal Meisner 2008)


Die Spurensicherung, abgekürzt: Spusi, ist Teil einer polizeilichen Ermittlungstruppe, der – wie der Name schon sagt – die Spuren sichern soll. Und zwar an einem „Tatort“. Die Spusi – „ein Kommando von Experten“, wie es Regionalkrimi-Autoren gerne nennen, folgt dabei der „Locard’schen Regel“. Diese besagt, dass kein Kontakt zwischen zwei Objekten hergestellt werden kann, ohne dass diese wechselseitige Spuren hinterlassen. „Nur menschliches Versagen diese zu finden, zu studieren und zu verstehen kann ihren Wert zunichte machen,“ so der Lyoner Mediziner und Jurist Edmond Locard. Damit genau das nicht passiert, vor allem nicht ausgerechnet durch die polizeilichen Ermittler, deswegen werden diese nach seiner  „Regel“ ausgebildet. Wikipedia veranschaulicht diese Spusi-„Regel“ mit folgender Graphik:

Diese erste „Regel“ aus der Kriminalistik kann ihre Herkunft aus dem Militär nicht verleugnen. Was dort der Krieg gegen einen äußeren Feind war, ist bei ihr einer gegen den inneren: den Verbrecher resp.Täter. Bei Wikipedia heißt es  dazu: „Die Spurensicherung ist ein Teil des Auswertungs-Angriffs im Rahmen des ‚Ersten Angriffs‘. Eine Spurensicherung beinhaltet die Spurensuche, die Spurenerfassung (Ausnummerierung, Fertigung von Abbildern [z. B. fotografisch, dreidimensional]) und der Spurenauswertung (zum Beispiel Spurenlage, Spurenbild, Spurenvergleich). Die Spurensicherung beginnt mit der so genannten Tatortarbeit. Sie nimmt ihren Verlauf mit Auswertungen (z. B. Untersuchung, Vergleichsspuren) und endet mit der Zusammenführung von Gegenstands- und Personenspuren zu Gegenständen am Tatort oder an Opfern und Tatverdächtigen. “

Die Spusi Brandenburg beeilt sich mit den letzten Aufnahmen vom Tatort (im Traktorschuppen hatte man die Leiche des ehemaligen LPG-Vorsitzender gefunden), hinten kommen bereits die ersten Pressevertreter und ein Schwarm Neugieriger aus dem nahen Dorf  an.


Das hört sich alles sehr kompliziert an, zumal von oben (Staatsanwalt, Ermittlungsleiter etc.), auch immer noch – wenigstens in so gut wie jedem Regionalroman – darauf gedrängt wird: „Wir brauchen Fakten – keine Spekulationen!“

Aber auch die „Fakten“ (Spusi-Ergebnisse) müssen interpretiert werden, d.h. diese mahnende Gegenüberstellung der Vorgesetzten  – Fakt versus Spekulation oder auch „Fakt versus Atmo“, wie es im südböhmischen Regionalkrimi „Strafe muß sein“ von Jaroslav Kutak heißt – ist selbst spekulativ. Unter dem „Spusi“-Stichwort „Interpretation“ heißt es dazu bei Wikipedia: „Das Ergebnis eines DNA-Tests, eines Fingerabdrucks oder einer sonstigen Spur alleine kann nicht über Schuld oder Nichtschuld eines Verdächtigen entscheiden. Es wird nur als Indiz gewertet, das durch weitere ergänzt werden muss. Viele Verdächtige legen allerdings ein Geständnis ab, wenn man sie mit dem Resultat konfrontiert. Ist das nicht der Fall, muss das Ergebnis interpretiert werden, wobei aber auch Fehlschlüsse nicht auszuschließen sind.“

Manfred Lüdenscheid (43) von der Spusi Eutin – ein „Fluchtauto“ photographierend.


Dazu wird an anderer Stelle erklärt: „Als Fehlschluss oder Trugschluss (lat. fallacia) bezeichnet man einen Schluss, bei dem die abgeleitete Aussage nicht aus den explizit angegebenen oder implizit angenommenen Voraussetzungen folgt. Dies bedeutet nicht sofort, dass die abgeleitete Aussage auch falsch ist: Ein Fehlschluss gibt keinerlei Aufschluss über den tatsächlichen Wahrheitsgehalt der abgeleiteten Aussage. Ein mit Absicht herbeigeführter Fehlschluss wird auch als Fangschluss bezeichnet.“

Ein typischer „Fangschluss“ ist dieser Tatort bei Bischoffsheim in der Rhön, den Jens Wickert (49) von der Spusi Würzburg hier photographiert: das Liebespaar wurde auf dem Kirchhof ermordet, wie sich später herausstellte,  und dann hier auf der Streuobstwiese anscheinend in aller Eile abgelegt.


Wird der „Fangschluss“ von außen quasi angelegt, gerät die Spusi und das darauf folgende Ermittlungsteam leicht auf die falsche Fährte, d.h. kommt zu einem fatalen „Fehlschluss“. Sie muss deswegen stets beachten, „dass der Täter oder Teilnehmer einer Tat möglicherweise fingierte Spuren gesetzt haben könnte.“

Die Spusi ist aber nun nicht nur eine Abkürzung für die hochdeutsche „Spurensicherung“, sondern auch abgeleitet vom österreichischen Wort „Gspusi“ – Liaison, Flirt auf französisch und englisch. Auf der CD „Reserviert fia zwa“ von Kurt Ostbahn & die Kombo“ heißt es in einem Lied:

„Ausn GSPUSI is wos Ernstes wuan und jetzt könn ma nimma lochn. Mia ham hoit jetzn andre Suagn, do bleibt ka Zeit fia blede Sochn.“

Weil die Spusi des BKA am Tatort wegen des anhaltenden Regens nicht alle Spuren sichern konnte, quartierten sich einige von ihnen über Nacht in einer der nahe gelegenen ehemaligen Bundeswehrkasernen von  Hildesheim ein.


In anderen Worten: Je mehr sich die Spusi interpretatorisch auf eine  Indizien-Kette einläßt/einspielt, desto ernster nimmt sie diese – und desto leidenschaftlicher geht sie zusammen mit dem Rest der  Ermittler, die u.U. eine „Soko“ bilden, an die Sache ran. Ihr „Jagdinstinkt erwacht“, wie Regionalkrimiautoren schreiben. Die Ermittler können daraufhin angeblich alle nicht mehr schlafen, lassen alle Verabredungen sausen, vernachlässigen ihre Ehegatten- und Vaterpflichten usw., kurzum: „Sie arbeiten ohne Unterlass – ohne Pause, bis sie den Fall gelöst haben,“ schreibt Jaroslav Kutak, der dies sogar für eine „typische Charakteristik“ in den Krimis hält.

Rheinfried Schneller (51) und Jochen Gerdes (44) von der LKA-Spusi Wiesbaden auf Auslandsmission: Sie sollen vor Ort Beweismaterial gegen einen französisch-senegalesischen Frauenhändlerring sammeln, der seine Opfer auf   touristischen Folklore-Tanzveranstaltungen findet.


Friedrich Nietzsche meinte einmal – in seinen umnachteten Achtzigerjahren bereits: Einen Anarchisten (also Staatsfeind) ehrt man nicht mit einem Orden, sondern mit einer Hausdurchsuchung. Man sehe sich einen dergestalt Überfallenen nur einmal genau an: Sein Gesichtsausdruck ähnelt exakt dem eines Verliebten, dem ein Versprechen zuteil wurde. So ähnlich kucken auch die Spusi-Mitarbeiter aus der Wäsche, wenn sie vermeinen, den Zipfel einer Tatlogik am  Wickel zu haben.

Gerda Scholz (27) von der Spusi Rostock auf dem FKK-Strand von Heringsdorf (Usedom), wo sie die Spuren am Tatort eines übergriffigen Strandkorb-Diebes aus dem nahen Peenemünde photographisch sichert.


Alice Berger (22) und Judith Rehhave (24) von der Spusi Husum sichern die Spuren eines geflüchteten Handtaschenräubers im Stadtpark.



Die Photos hier aus dem Alltag diverser Spusis sind noch vor diesem Moment geknipst worden, aber man ahnt bei den hier Abgelichteten, dass sie die Hypothesenmaschine in ihrem Hirn schon angeworfen haben. Dies gibt den Aufnahmen eine gewisse Spannung, wie sie auch Regionalkrimis eigen ist. Im Gegensatz zu diesen sind sie jedoch nicht ausgedacht (gestellt).

Jan Appeln (51) von der Spusi Bonn photographiert in der Perspektive eines Einschleichdiebes, ein Eifeldorf, das mehrmals vom Täter heimgesucht wurde, nachdem er von Appelns Standort aus so lange gelauert hatte, bis alles unten im Ort schlief.


Wie sieht es nun mit der Spusi aus, wenn es sich um noch lebende Menschen  handelt, die zwar agieren, sich aber noch nicht eindeutig als „innere Feinde“ zu erkennen gegeben haben. Es fehlt vielleicht nicht an diesbezüglichen Bekundungen, jedoch an einer beweiskräftige Spuren hinterlassenden Tat. Diesen Moment des Unentschiedenen möchte die Spusi natürlich nicht missen. Und deswegen gibt es immer wieder Versuche, öffentliche Versammlungen und Demonstrationen, sagen wir pauschal: von Regimekritikern, das können auch vegane Tierschützer sein, zu dokumentieren, d.h. die Teilnehmer möglichst umfassend zu  photographieren bzw. seit der Erfindung der Videokamera zu filmen.

Enno Kupferschild (30) von der Spusi Neukölln fand z.B. dieses Transparent auf dem „Weisestraßen-Fest 2010“ ziemlich „grenzwertig“.


1989  legte der Westberliner SPD-Innensenator fest, dass die polizeilichen Einsatzabläufe (z.B. anläßlich der Demonstrationen am 1.Mai) zukünftig zwar direkt gefilmt und übertragen werden durften, „aber nur in Form von Totalaufnahmen“. Zehn Jahre später 1999 ermahnte die Demoleitung in Kreuzberg erstmals selbst alle Bildberichterstatter, „sich auf die Totale zu beschränken“.

…und dieses launige Schild fand der Spusi-Mann „mal wieder typisch“. Erst nachdem man den Straßenfest-Veranstaltern mit einer Anzeige wegen Verunreinigung öffentlicher Plätze gedroht hatte, stellte sich heraus, dass der Spruch auf dem Schild ironisch auf die ignorante Vernachlässigung des „Schiller-Kiezes“ durch die Müllabfuhr (BSR)) anspielte, die diesen Müll einfach nicht abgeholt hatte, vielleicht sogar um die Straßenfest-Veranstalter zu ärgern.

Bei diesem Spruch rückte noch vor der LKA-Spusi Westberlin die Hamburger Reporterin Edith K. (42) an, um einer militanten Lesbengruppe auf die Spur zu kommen, die auf einer Wand neben diesem Spruch gefordert hatte: „Kastriert alle Vergewaltiger“. Sie hatte zuvor den „Berlin-Krimi ‚Weiberwirtschaft'“ von Maria Gronau studiert, in dem militante lesbische Hausbesetzerinnen, zu denen nebenbeibemerkt auch die Autorin gehörte, sich eine „männerfreie Zone“ schaffen. In dem darauffolgenden „Berlin-Krimi“ von Maria Gronau sinniert ihre Ermittlerin bei einem Einparkmanöver dann auch noch über ihre Anerkennung insbesondere durch „jene lesbischen Gruppen, die die weibliche Sexualität mittels Kastrationsbesteck … befreien wollten“.  (S. 248)  Edith K. war also gut vorbereitet auf solcherart „True Crime“, der kurz bevor stehen mußte. Die taz-Frauenredakteurin konnte ihr jedoch klar machen, dass es sich nur um eine Provokation einiger Punkerinnen – mehr oder weniger besoffen auf dem Nachhauseweg – handelte: „nicht wirkliche Terroristinnen.“


In dieser Doku-Angelegenheit wird regelmäßig Regelungsbedarf eingeklagt – gelegentlich sogar in Form einer öffentlichen Demonstration. Wann darf die Polizei wen aufnehmen? Dazu heißt es auf „heise.de“ 2008: „Alle Aufnahmen durch die Polizei bei einer öffentlichen Demonstration sind nur unter strengen Auflagen gestattet, sagt Kurt Graulich. Der Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig lehrt an der Humboldt-Universität in Berlin Polizeirecht. „Es gibt zwei Rechtslagen“, sagt Graulich: Das Versammlungsgesetz und das Berliner Polizeigesetz, und eventuell wäre noch das Bundespolizeigesetz zu berücksichtigen, wenn auch Bundespolizei im Einsatz war. Beim Versammlungsgesetz handele es sich um eine überkommene bundesrechtliche Grundlage – überkommen, weil es eine abweichende Gesetzgebung der Länder vorsehe, Berlin aber noch kein eigenes Gesetz erlassen habe. Nach § 12a Versammlungsgesetz darf die Polizei Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur dann anfertigen, „wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen“, so der Gesetzestext.

Bei dieser Demo in Duisburg 2009 waren sich die zur Einsatzleitung abgeordneten Photodokumentaristen der lokalen Spusi durchaus unsicher.


Der mit „scenetypischen Assecoires“ ausgestattete „stille Beobachter“ Klaus Wierling (31) des LKA Bayern im Einsatz vor Ort/vor Tatort, eine seiner Zielpersonen  dokumentierend.


Die von der Spusi Neuruppin ausgeliehene Photographin Doris Wienbergen (46) dokumentiert hier auf der Landstraße schon mal die aus weiter Ferne kommenden Demonstranten gegen den Bombenabwurfplatz der Bundeswehr in der Wittstocker Heide.


Diese Regelung sei für Versammlungen, bei denen man befürchten muss, dass Sachen oder Menschen zu Schaden kommen, erklärt Graulich, aber „nicht, wenn von einem friedlichen Verlauf ausgegangen wird“. Das nämlich rechtfertige keine Aufnahmen. Und hier wird es interessant: „Eigentlich muss eine Versammlung ja nicht erlaubt werden, sondern bloß angemeldet. Wenn aber mit erheblichen Gefahren zu rechnen wäre, würde die Versammlung ja verboten werden“, erklärt Graulich. „Und dann kann man rückschließen: Wenn eine Versammlung nicht verboten wird, wird auch nicht mit erheblichen Gefahren gerechnet, sondern mit einem friedlichen Verlauf.“ Das heißt: Die Polizei darf Aufnahmegeräte bereithalten, aber sie darf sie nicht nutzen, so lange es friedlich bleibt. „Der Aufbau von Kameras ist ok, aber wenn gefilmt wird – das müssten sie erklären“, sagt Graulich.

Ungeachtet der Rechtsunsicherheit bereiten sich Albert Föhr (59), Lothar Dienstor (51) und Wilhelm Meyer Zwo von der BKA-Spusi schon mal auf die Protestdemonstration vor, die demnächst dort an der Abraumhalde der Bischofferöde Kaligrube im Eichsfeld vorbeimarschieren wird – unter der Losung „Bischofferode ist überall“.

Nachdem der  für die Bergbaubetriebe zuständige Treuhandmanager Klaus Schucht im Spiegel gemeint hatte: “Wenn man den Widerstand in Bischofferode gegen die Schließung ihrer Grube aus Konkurrenzgründen nicht bricht, wie will man dann überhaupt noch Veränderungen in der Arbeitswelt durchsetzen?” – wurden zusätzlich zu den BKA-Doku-Teams  auch noch Provokationsspitzel (Prospis) eingesetzt.



2010 verschärft sich dieses Problem noch einmal. Die taz meldet am 29.Juli: Innensenator Ehrhart Körting (SPD) erwägt, der Polizei das Filmen auf Demonstrationen zu Zwecken der Einsatzlenkung per Gesetz zu erlauben. Hintergrund ist die am Dienstag bekannt gewordene Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die eine Videoüberwachung von friedlichen Demonstrationen untersagt. „Sollte die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes obergerichtlich bestätigt werden, ist nach Auffassung der Senatsverwaltung für Inneres der Gesetzgeber in Berlin gefordert“, teilte die Senatsverwaltung mit. „Es ist in der Fraktion unstrittig, dass wir dieses Mittel brauchen, damit die Einsatzleitung die Versammlung gut koordinieren kann“, sagt Thomas Kleineidam, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Die Auswirkungen der derzeitigen Praxis seien „unerheblich für die Demonstrationsfreiheit“. Nur dann, wenn die Aufnahmen gespeichert würden, sei das problematisch.

Gabriele Torstein-Färber (43) von der Spusi Münster nimmt noch einmal das Wohnzimmer des Ermordeten mit Blitz auf.


…während ihre Kollegin Magdalene „Maggi“ Schröder (38) sich das Schlafzimer und den Balkon vornimmt, über den der Täter wahrscheinlich kam und ging.


Die anderen Fraktionen im Abgeordnetenhaus sehen das etwas differenzierter. Skeptisch äußert sich unter anderem der Koalitionspartner Linkspartei. „Das Versammlungsrecht macht es bereits jetzt möglich, bei Gefahr zu überwachen“, sagt Wolfgang Albers aus dem Fraktionsvorstand. „Warum es darüber hinaus einer Überwachung bedarf, müsste Herr Körting sehr gut erklären.“ Grundsätzlich bezeichnete Albers die Entscheidung des Verwaltungsgerichts als „vernünftiges Urteil, das die Versammlungsfreiheit stärkt“.

Der hochengagierte Daniel Volkersen (29) von der Spusi Bremen verknipste vier Farbfilme am Tatort – einer Großdruckerei in Huchtingen, davon waren jedoch „bloß zwei Bilder wirklich brauchbar“, wie seine Kollegen hernach bedauerten. Das hier verwendete gehörte „nicht wirklich“ dazu.


Die Grünen sprechen sich komplett gegen eine stärkere Überwachung aus. Im Gegenteil: Bevor ein Gesetz in Erwägung gezogen werde, „sollte man zunächst die Videoüberwachung in Berlin insgesamt auf den Prüfstand stellen“, sagt die Fraktionsvorsitzende Ramona Pop. Unterstützung gibt es dagegen aus der CDU-Fraktion. Großdemonstration würden häufig Verkehrseinschränkungen verursachen, argumentiert Peter Trapp, Vorsitzender des Innenausschusses. Er würde daher ein Gesetz befürworten, das die Videoüberwachung zu Zwecken der Verkehrslenkung ermöglicht. Allerdings müsse das auf Großdemonstrationen beschränkt werden, und einzelne Beamte mit Kameras dürften nicht vom Rande oder aus der Demonstration heraus einzelne Teilnehmer filmen. Ein Heranzoomen auf einzelne Gesichter oder Autokennzeichen dürfe nicht möglich sein.

Auch die Spusis, mindestens die in Hamburg, beschäftigen Azubis: dieses Bild zeigt Bärbel Ottenmeier  (19) am Tatort – dem Schlafzimmer einer augenscheinlich erwürgten Kapitänswitwe.


Der Bielefelder Bürgerrechtler und Datenschützer Padeluun erklärt dagegen, dass es bei der Einschränkung des Versammlungsrechts durch Videoüberwachung kaum einen Unterschied macht, ob gezoomt wird oder gepixelt, ob die Bilder gespeichert werden oder live ausgewertet. „Das Problem bei der Videoüberwachung sind nicht nur die Bilder, es ist der Machtakt.“ Bei den Gefilmten werde ein unangenehmes Gefühl der Beobachtung ausgelöst. Das sei bereits bei der Verwendung von Kameraattrappen der Fall.

Im Garten dieses Schlosses in der Altmark fand man die Leichen seiner neuen Besitzer: ein Wirtschaftsanwalt, der zuletzt bei der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft gearbeitet hatte und seine brünette Freundin, die zuletzt für „Brigitte“ gemodelt hatte.  Adolf H. Weiser (47) und Jens-Peter Ruchberg (51) von der Spusi Magdeburg nehmen den mutmaßlichen Tatort, ein Tulpenbeet im Schloßgarten, ins Visier.


Am 30.Juli kam die taz noch einmal auf dieses Thema zurück:

„Im juristischen Streit um Videoaufnahmen bei Demonstrationen wollen die Kläger die Berliner Polizei möglicherweise zu einem schnellen Stopp des Filmens zwingen. Das teilte ein Sprecher der Humanistischen Union, die mehrere Kläger unterstützt, mit. Mit einer einstweiligen Verfügung durch ein Gericht könnten die Kläger erreichen, dass die Polizei auf jeden Fall so lange nicht filmen darf, bis der Streit rechtskräftig entschieden ist.  Das Verwaltungsgericht Berlin hatte das Filmen von friedlichen Demonstrationen zuvor für rechtswidrig erklärt. Die Polizei dürfe nur Aufnahmen machen, wenn es konkrete Anhaltspunkte für Straftaten oder Gewalt gebe. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Polizeipräsident Dieter Glietsch will in Berufung gehen und trotz des erstinstanzlichen Urteils auch künftig friedliche Demonstrationen per Videoübertragung beobachten lassen.

Chefermittler Otto Welscher (64) bittet Susi Olschmidt (44) von der Spusi Göttingen die Samtgemeinde, in der die zwei Banküberfälle passierten, noch einmal von oben zu photographieren.


Der Sprecher der Humanistischen Union sagte, man erwäge einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung. Dass die Polizei ihre Niederlage nicht so einfach hinnimmt, sondern das Oberverwaltungsgericht anrufen werde oder ein eigenes Landesversammlungsgesetz verlange, sei nicht überraschend. Die Kläger von der Anti-Atom-Demonstration müssten aber für die Zeit des Rechtsstreits das weitere Filmen nicht akzeptieren.  Glietsch hatte am Mittwoch in der RBB-‚Abendschau‘ angekündigt, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Videoaufnahmen seien bei allen großen Veranstaltungen aus Sicherheitsgründen nötig. Dies mache auch die Tragödie bei der Loveparade in Duisburg deutlich. ‚Wenn bei einer Großdemonstration mit 100.000 Menschen eine Panik ausbricht, haben wir dieselbe Situation‘, sagte er.“

Der selbe Ermittler (damals war er noch kein Chef), hier nur 19 Jahre jünger, zusammen mit Udo Weichkötter (54) von der Spusi Kassel – auf Urlaub in der Toskana. Letzterer fühlte sich auch nach einer Woche noch wie im Dienst, gestand er seiner Frau Marlene, von der dieses Photo – quasi zum Beweis – stammt.


Am 16. August machte die taz erneut deutlich:

„Polizisten dürfen auf friedlichen Demonstrationen nicht filmen, urteilt das Verwaltungsgericht. Ein Ohrfeige für die Polizei, die fast jeden Protest mit Kameras verfolgt. Auf Demonstrationen wird der Anblick von Polizisten mit Kameras seltener werden. Grund dafür ist eine Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts. Darin erklären die Richter die Videoüberwachung einer Großdemonstration im vergangenen September für rechtswidrig. Geklagt hatten ein Mitveranstalter und ein Teilnehmer. Rund 50.000 Menschen hatten damals gegen Atomkraft protestiert – friedlich, wie es auch im Vorfeld zu erwarten war. Die Polizei filmte trotzdem und begründete das vor dem Verwaltungsgericht mit der Notwendigkeit, Einsatzkräfte und Verkehr zu lenken. Die Anti-Atomkraft-Demo ist kein Einzelfall: Videoüberwachung durch die Polizei ist in den vergangenen Jahren zum Standard geworden.

Weil sie mit den beiden zusammen aufs Bild wollte, zeigte Marlene Weichkötter dem Zeltplatzwart, wie ihre Kamera funktioniert.


So fährt nicht nur häufig ein Wagen mit Kamera vorweg. Auch einzelne Polizisten sind mit Kameras ausgestattet. Zahlen, wie viele Demos filmisch überwacht werden, nennt die Polizei nicht. In Zukunft hängt es also an der Gefährdungsanalyse, die die Polizei im Vorfeld einer Demonstration erstellt, ob die Demo überwacht wird oder nicht. Wie das in der Praxis umgesetzt wird, ist noch offen. Unklar ist beispielsweise, ob der Veranstalter beim Anmeldergespräch im Vorfeld einer Demo über die Videoüberwachung informiert wird und dagegen – wie auch gegen Auflagen – im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht klagen kann. Bei regelmäßig stattfindenden Demonstrationen wird sich die Einschätzung der Polizei an der jeweils vergangenen Demo orientieren. Verlief also beispielsweise die Liebknecht-Luxemburg-Demonstration im letzten Januar friedlich, müsste die Polizei gute Gründe nennen, um ein Jahr später eine erhebliche Gefahr festzustellen. Denn im Nachhinein gegen die Videoüberwachung vor Gericht zu ziehen, das betont Dolle, können die Veranstalter bereits heute.

Nach getaner Spurensicherung in Eis und Schnee erholt sich das Osnabrücker Spusi-Team im Teutoburger-Wald-Restaurant „Atelierhaus“, wo Isolde Ohlmeier (27) ihren zuletzt am Tatort – einem Jäger-Hochsitz – verknipsten Film aus der Kamera holt.


„Es wird sicher Fälle geben, in denen wir über die Gefährdungsanalyse streiten werden“, sagt Sven Lüders, Geschäftsführer der Humanistischen Union. Der Verband beteiligt sich unter anderem an der Organisation der Datenschutzdemo ‚Freiheit statt Angst‘  am 11. September. Im vergangenen Jahr nahmen an der Demonstration rund 25.000 Menschen teil. Da das Urteil des Verwaltungsgerichts noch nicht rechtskräftig ist und Lüders vermutet, dass die Polizei einen Antrag auf Zulassung der Berufung einreichen wird, rechnet er nicht damit, dass die Veranstaltung in diesem Jahr schon überwachungsfrei laufen wird.“

Auch das gehört mitunter zur Spurensicherungstätigkeit: Hier porträtiert Bernd-Peter Funken (48) von der Spusi Pritzwalk gerade einen Zeugen, der gesehen haben will, wie fünf stadtbekannte Neonazis nach einem Überfall auf den Garten des arbeitslosen Melkers Günther Sch. sich von dessen Grundstück geschlichen hatten.


Man kann mit einer Kamera eine ganze Stadt in Schach halten, das ahnten viele der RAF-Terroristen bereits, indem sie bevor oder nachdem sie eine Knarre in die Hand genommen hatten, an Filmhochschulen studierten. Weil die Polizei immer dreister Demo-Teilnehmer aufnimmt, haben diese nun – dank den Handy-Kameras – angefangen, immer häufiger Polizisten, vor allem als „Täter“, also gewalttätig werdend, zu knipsen bzw. zu filmen.

Im „Juraforum“ werden die rechtlichen Grundlagen dafür geklärt: „Die Anfertigung von Porträtaufnahmen von Polizeibeamten im Einsatz ist regelmäßig unzulässig, und zwar wegen des fehlenden sachlichen Bezugs an Information. Anders verhält es sich aber, wenn ein Polizeibeamter z.B. bei einer Zwangsanwendung erkennbar ins Bild kommt, da dann ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit am Geschehen anzuerkennen ist.  Das Filmen und Fotografieren polizeilicher Einsätze ist zulässig. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass unzulässige Lichtbilder nicht verbreitet werden. Eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit, welche eine Sicherstellung der Kamera, bzw. sonstiger Speichermedien rechtfertien würde, ist ausnahmsweise nur dann gegeben, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Lichtbilder entgegen den Vorschriften des Kunsturhebergesetzes unter Missachtung des Rechts der Polizeibeamten am eigenen Bild veröffentlicht werden.“

Es macht jedenfalls einen Unterschied – als photographierte Zielperson, ob so jemand sein Persönlichkeitsrecht wahrnimt und demonstriert oder ob er als uniformierter Staatsbeamter dienstlich in der Öffentlichkeit agiert.

Hier dokumentiert Torsten Weinkühler (30) von der Spusi Darmstadt sich zur Abwechslung mal selber – in der Pension eines Spessartdorfes, in dem sie am Spätnachmittag einen neuen Tatort zugewiesen bekommen hatten.



Und hier dokumentiert Elisabeth Trobinger (56) den Rest ihres Clausthal-Zellerfelder  Spusi-Teams am Rande eines Harz-Dorfes auf einem Acker, wo seltsamerweise mehrere PKWs hintereinander verunglückten.


Rolf Kratwerk (49) von der Spusi  München photographiert hier einen Tatort an einem bayrischen See, wo in mehrere Segelboote – wahrscheinlich von der Seeseite her – eingebrochen wurde.


Jörg Mattern (58) von der Spusi Lübeck in Aktion: In der Holsteinischen Schweiz hatten Unbekannte zwei dänische Touristen überfallen und einen Hang heruntergestürzt.


Wenn die Arbeit der Spusi getan ist, darf die Presse ran: Hier an einem Tatort in Gelsenkirchen, wo man an einem verlassenen Verwaltungsgebäude einer Fabrik eine Frauenleiche im verwilderten Garten fand.


Markus Schwontkowski (37), ein „ausgeliehener“ Beamter der Spusi Bayreuth auf der oberbayrischen Begräbnisfeier für einen Bademeister, der wahrscheinlich umgebracht wurde, die Ermittler hofften, das der Täter zu der Feier erscheinen würde (was er nicht tat,  es war im übrigen doch ein Unfall ohne Fremdverschulden, wie sich dann zweifelsfrei herausstellte).


Josef Breitacher (58), ein Kollege von Schwontkowski aus der Spusi Bayreuth, der die Begräbnisfeier von oben aufnimmt.


Jörg-Joachim Wernherr (30) von der Spusi Ulm photographiert ein gestohlenes Auto, das die Diebe stehen ließen, als der Tank leer war.


Franz-Josef Weikling (60) von der Spusi Braunschweig auf Auslandsmission in einem bulgarischen Badeort – einen mutmaßlich in Helmstedt gestohlenen BMW photographierend.


Vor diesem Haus im Thüringer Wald fanden Spaziergänger eine abgehackte Hand. Die Spusi Meiningen kam mit dem Motorrad, und der Kollege Manfred Brummer (34) photographiert nun den Fundort, während sein Fahrer, Joachim Windeken (38) eine Skizze von der Umgebung studiert.


Frank Splendorf  (41) von der Spusi Pankow/Prenzlauer Berg photographiert einen Tatort im Flughafen Schönefeld, hier hatte ein Gast den Barkeeper mit einem Messer attackiert.


Ilse Branwitz (40) von der Spusi Stade auf einem Bauernhof im Kehdinger Land, wo ein Bauer seine Frau getötet hat, er ist bereits geständig, aber die Sicherung der Spuren am Tatort muß trotzdem sein, um die Akte zu schließen.

Die Aufnahme von Ilse Branwitz „in action“ ist schon einige Jahre her. Heute ist sie Dozentin für Forensik in Hamburg und nebenbei macht sie noch in gymnasialen Oberstufen den Schülern ihr Fach schmackhaft, indem sie für einige Zeit den Chemieunterricht der Schüler übernimmt und mit ihnen die Arbeit der Spurensicherung durchspielt.

Die Leichen sind hierbei Plastikpuppen, die mit unterschiedlichen „Spuren“ versehen werden, eines der „Spusi-Teams“ der Schüler, in Einweg-Laboranzügen und mit Schutzmasken vor dem Mund,  muß  sie nun finden und analysieren. Der „Freitag“ vom 2.9.2010 berichtete über ein solches Schulexperiment: „Das Team hat Bilder gemacht, Wattestäbchen in die klebrige rote Schmiere getunkt, die auf ihrer ‚Leiche‘ angebracht wurde, um sie auf Maden zu untersuchen (Ergebnis glücklicherweise negativ). Sie haben sowohl das Weinglas als auch den von Hand beschriebenen Notizzettel, den sie unter der Leiche gefunden haben, mit magnetischem Pulver eingepinselt, um Fingerabdrücke zu suchen. Jedes Team macht sich Notizen auf einem Formular, dann verlassen sie die aufgeblasenen Plastikpuppen, die ihnen als Leichname gedient hatten und denen nun so langsam die Luft wieder entweicht, und fahren in ein Labor der Universität.“

In abermals neuen weißen Einweg-Laboranzügen bekommen die Schüler vom wissenschaftlichen Personal des Labors gezeigt, wie die Spuren dort analysiert werden. So wird z.B. mit dem „Castle-Meyer-Test“ menschliches Blut „erkannt“ und mittels eines Chromatographen die Identität eines Lippenstifts mit den an der „Leiche“ gefundenen Lippenstiftspuren geprüft…Es geht bei dieser Unterrichtseinheit „Polizeiliche Spurensicherung“ offiziell darum, den Schülern, die zumeist den Fächern Chemie und Physik wenig abgewinnen können, die „Naturwissenschaften“ schmackhaft zu machen. Einige der vom Freitag-Autor befragten Schüler gaben an, später Polizist werden zu wollen.

Hier geht die Berufsfindung also über die angewandte Chemie, anderswo über die Physik. So z.B. bei den Kommunikationswissenschaftlern an FU/TU und UdK Berlin. Da die meisten Schüler als Berufswunsch angeben, später „irgendwas mit Medien“ machen zu wollen, gibt es hier immer mehr Lehrangebote für Filminteressierte, die man mit Kursen wie „Jeder Tatort ein Drehort“ geschickt in Spusi-Karrieren drängt.


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