vonWolfgang Koch 20.12.2009

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Wien hat noch nie eine gute Hand bei Grossbauten bewiesen. St. Stephan ist seit 1540 Jahren ein Fragment, Schloss Hof eine überdachte Ruine, die Neue Favorita ein unattraktives Schulgebäude an einer überlasteten Ausfallsstrasse, die Flaktürme: zerbröckelnde Riesen, und der Modulbau der UN-City, der kann sich weder rechts noch nach links multiplizieren, da er umzingelt ist von einem angeberischen Bussinesspark.

Wien ist keine Baustadt, jedenfalls keine für Monumentalgebäude. Als die Sozialdemokraten in den 1920er-Jahren hier den »Sozialismus in einer Stadt« verwirklichen wollten und in den Aussenbezirken von Licht und Luft durchflutete Superblocks mit Swimming pools, Badezimmern, Spielplätzen für die Kinder, Versammlungsräumen und Arbeiterbibliotheken errichteten, rannte ihr die Arbeiterklasse trotzdem in Siedlungsgenossenschaften davon.

Die Menschen errichteten an allen Ecken und Enden der Stadt im eigenen Schweiss Schrebergärten und Stelzensiedlungen. Man hockte lieber zwischen selbstgezimmerten Brettern, als die Annehmlichkeiten zentralistischer Planungsfantasien zu bevölkern.

Die grösste Niederlage auf dem Gebiet des Grossbaus erlitt Wien mit der Rotunde. Dieser für die Weltausstellung 1873 errichtete »Kristallpalast«, getragen von 32 Kolossalsäulen mit einer Spannweite von 108 Metern und einer Höhe von 84 Metern, wurde im Cäsarenwahn als das »achte Weltwunder« errichtet. Die Kuppelanlage des Londoner Konstrukteurs John Scott-Russel hätte locker den Petersdom gefasst und wurde obenauf mit einer vier Tonnen schweren und vergoldeten Nachbildung der Kaiserkrone veredelt. Dieser »mächtige Dom der Erde« (Julius Rodenberg) schlug alle bis dahin auf Weltausstellungen üblichen Dimensionen.

1937 wurde die Rotunde das Opfer eines Grossbrandés. Und wäre der Zweite Weltkrieg mit den alliierten Bombardements nicht gekommen, hätte man vermutlich nicht einmal eine Ausrede gefunden, die schönen Zweckarchitekturen von Südbahnhof und Stadthalle zu errichten.

Der einzig geglückliche historische Grossbau, der noch heute existiert, ist Schloss Schönbrunn – eine schwachbrüstige Kopie von Versailles. Die gegenwärtige Prosperität verdankt das Schloss allerdings nicht der Stadt selbst, sondern dem nicht endenwollenden Touristengetrampel in das Schlafgemäch einer Kaiserin, die nie eine war – wobei das zahlende Publikum vor Ort dann aus dem Staunen nicht herauskommt, wie klein die Betten früher mal waren, weil schon keiner mehr weiss, dass man vor 250 Jahren im sitzenden Zustand schlief.

Gewiss trägt niemand eine Schuld daran, dass Wien keine glückliche Hand mit Grossbauten hat. Am allerwenigsten natürlich die Bauherrn und die Architekten. Die Kolossalgebäude im Zeichen einer höheren Idee (St. Stephan, Schloss Neugebäude, Rotunde), sie wurden Opfer von Kriegen oder Katastrophen; umgekehrt verdanken aber die Flaktürme und die UN-City ihre Existenz ebenfalls einem Krieg.

Überall macht sich heute das Fehlen von positiven Erfahrungen mit grossen Bauensembles bemerkbar. Die Stadtplanung liegt in den Händen hochqualifizierter Fachleute. Aber welcher Politiker stirbt heute noch auf seinem Schild? Städte werden in Zukunft Schrumpfungsgebiete sein; die an herkömmliche Investoren gerichtete Wirtschafts- und Stadtentwicklungspolitik läuft jetzt bereits ins Leere.

Die Rezepte sind hier immer noch die alten. In Wien werden immer noch Baulücken geschlossen, statt sie als Grünflächen zu nutzen oder ganz einfach als Gstetten verwildern zu lassen. Das Wien der Zukunft braucht andere Bauherren, andere Investoren, andere Renditen – letztlich andere Stadtmacher. Das höchste, was wir im im Augenblick erlangen können, ist ein zorniger Lebenlauf. Dauer hat nicht das Gute. Noch hat die Vergeblichkeit Dauer.

© Wolfgang Koch 2009

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