Ami Sedghi beim Medienkongress-Panel "Mehr als 1.000 Worte" Riesige Datenmengen müssen nicht zwangsläufig überfordern. Sie können auch bereichern und durchaus kreativ machen. Diesen Eindruck vermittelten am Samstag die Referenten der Podiumsdiskussion „Mehr als 1000 Worte“. Einblicke in die innovative Aufbereitung mit Karten, Daten und Videos gaben Hochkaräter aus dem internationalen Journalismus: New York Times Videoredakteurin Zena Barakat, Ami Sedghi, englische Online- und Datenjournalisten vom The Guardian und Philippe Rekacewicz seines Zeichens bekannt als Journalist sowie Karto- und Geograf von Le Monde Diplomatique. Durch das Podium führte auf englischer Sprache diesmal Doris Akrap, die nicht nur als taz- Redakteurin fungiert, sondern auch das Konzept und die Durchführung des kooperativen Medienkongresses mit organisierte.
Da die Arbeit der Anwesenden immer mit einer bildlichen Symbolik einhergeht, wurden Arbeitsproben für das Publikum aufs Exempel gemacht. Dabei stand zentral die Frage im Raum welche Daten, wie verlässlich und welche Interpretationen ohne Manipulationen möglich sind. „Die Erstellung einer Infokarte völlig ohne Fremdinformationen ist einfach nicht allein machbar, man muss sich auf ein Netz an Informanten und Daten verlassen und an verschiedene Techniken sowie das richtige Verständnis beherrschen“, erklärte Rekacewicz seine Arbeitsweise. Dazu muss er -wie so viele andere auch- aus qualitativ und quantitativen Daten filtern, was darstellungswert wird.
Was alles an kreativer Gestaltung auf Karten möglich ist, zeigte Philippe Rekacewicz, der zwei Karten internationaler Grafiker vorstellte. Auf einer der Karten zeichneten die Künstler der „radikalen Kartography“ eine Weg durch das Manhattan ohne von lästigen Kameras beim Durchqueren aufgenommen zu werden, wodurch so etwas wie „soziale Gerechtigkeit“ geschaffen werden soll, erklärte der Journalist. Auf einer weiteren wurde von der verschiedenen Institutionen, wie Marokko selbst, der UN oder des nach Unabhängigkeit strebenden Sahara- Staates, die Grenzen des Landes Marokko verschieden interpretiert.
Danach zeigte Ami Sedghi vom britischen The Guardian, wie man in bunten Kreisen den Haushalt von Großbritannien bildlich in Zahlen darstellen kann. Das dass ein längerer sowie aufwändiger, aber doch letztlich eine sehr vorbildliche Leistung darstellt, lobte Rekacewicz, aber Feedback kommt vor allem auch von den Usern. „Wir haben eine sehr kreative Grafik Abteilung, die ständig neue Ideen hat, aber manchmal verschmelzen Quellen miteinander, die auf den ersten Blick nicht sofort zusammenpassen. Jedoch benutzen wir zum Erstellen von Grafiken häufig verfügbare Gratissoftware, damit wir User anregen auch aktiv zu werden“, äußerte sich Sedghi.
Last but not least, stellte Zena Barakat, seit September 2010 Videoredakteurin bei der New York Times, ihre tägliche Arbeit und die enormen Potentiale der visuellen Berichterstattung vor. Dabei stand besonders im Fokus, dass eine extrem politische und revolutionäre Zeit auch revolutionäre Medien schafft und fördert. Vor allem die Potentiale dieser Art von Journalismus und die enorme Kraft des Bildes standen bei Ihren Ausführungen und Videos im Fokus. Mittlerweile hat sich ein Journalismus etabliert, der mit allen möglichen und technischen Mitteln, zwar auf professioneller Ebene, aber wenn nötig auch mit dem Handys, das Liveschaltung und GPS Ortung mit Hilfe von Foren wie bambuser.com in der ganzen Welt ermöglicht.
Dazu werden auch Blogs, wie the Lede, oder YouTube geprüft und als Quelle genutzt. „Unsere Reporter sind extrem oft geschult worden und wissen genau welche Situationen die Krise authentisch widerspiegeln. Natürlich gibt es auch unter ihren Medienprodukten hochwertige und weniger hochwertige Leistungen, oft kommt es auf den richtigen Ton an. Der sollte der Situation entsprechend sein, also kann es auch passieren, dass ein formaler Ton in einer zum Beispiel extrem gefährlichen Situation als nicht authentisch angenommen wird“, erläuterte Baraka.
Die ehemalige Fernsehproduzentin produziert mit zwei Kollegen das „Time Cast“ Format, von dem normalerweise ein fünfminütiger Beitrag pro Tag entsteht oder in letzter Zeit sogar in aufregenden Zeiten mehrere pro Tag. Dabei legt sie wert auf Klasse statt Masse, statt die Qualität auf zu viele Beiträge zu verteilen, macht sie lieber weniger als mehr, dafür macht sie ihren Job gut- das bestätigen ihr die User durch ihre Klicks. Bei all den vorliegenden Daten kommt es offensichtlich nicht nur darauf an, dass man sie nutzt, sondern das man sie mediengerecht und innovativ weiterverarbeitet, denn die User haben hohe Erwartungen. Man darf gespannt sein, welche Spähren der visuelle Journalismus noch erreichen kann- und wird- seinen kreativen Möglichkeiten im Netz sind jedenfalls keine Grenzen gesetzt.
VON LINDA RUSTEMEIER