vonsaveourseeds 03.06.2009

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Monsanto’s Alles-Killer „Roundup“ ist weltweit das meistverkaufte Herbizid und Flaggschiff agrochemischer Monokultur. Auf seiner Wirkung beruht auch der Erfolg von Monsantos „Roundup-Ready“ Gentechnik-Pflanzen, v.a. Soja, Mais und Baumwolle. Sie widerstehen dem Mittel während alles andere Grün eliminiert wird. Auf Millionen von Hektar wird das Mittel mit dem Wirkstoff „Glyphosat“ rund um den Globus Jahr für Jahr ausgebracht. Eine Klage in Argentinien, dessen Soja-Anbau vollständig auf Roundup eingestellt ist, könnte nun den Anfang vom Ende des Mittels markieren. Dort stellte der führende Embryologe des Landes fest, dass Glyphosat Embryonen schädigt.

Seit Professor Andres Carrasco seine Studie über die embryonenschädigende Wirkung von Glyphosat veröffentlicht hat, bekommt er Drohanrufe und auch mal ungebetenen Besuch von Anwälten. Denn auf Basis seiner Untersuchungen hat ein Konsortium von Umwelt-Anwälten jetzt einen sofortigen Stop des Einsatzes von Roundup beantragt, wie die Financial Times berichtet und die argentinische Regierung hat eine Untersuchung angeordnet.

Die Studie von Professor Carrasco, der für die argentinische Armee arbeitet, das Institut für molekulare Embryologie der Universität von Buenos Aires leitet und zudem Präsident des argentinischen Nationalrats für wissenschaftliche und technische Forschung (CONICET) war, läßt befürchten, dass Glyphosat nicht nur bei Amphibien, mit denen die Experimente durchgeführt wurden, sondern auch bei Menschen zu schweren Embryonalschäden führt. Carrasco hielt es deshalb für geboten, die Öffentlichkeit bereits vor der Publikation der Studie zu informieren: Verkleinerte Köpfe, genetische Zell-Veränderungen im zentralen Nervensystem und deformierte Knochen und Knorpel seien regelmäßige und systematische Folgen von Glyphosat. Man könne mit Sicherheit annehmen, dass ähnliche Effekte auch bei Menschen aufträten, erklärte der Professor gegenüber IPS. In einem EFE-Interview weist er darauf hin, dass sein Arbeitgeber CONICET, der Forschungsbabkommen mit Monsanto habe, keine besondere Begeisterung für seine Untersuchungen aufbringe.

Die forsche Aussage von Monsanto-Chef Hugh Grant, er sehe der Klage gelassen entgegen und halte die wissenschaftliche Ergebnisse für „shaky“  klingt da ein wenig wie das Pfeiffen im Walde. Sollte sich Carrascos Verdacht bestätigen, dürfte Monsanto, das Roundup, seit 1975 verkauft und dabei mit Versicherungen über seine Unschädlichkeit nicht sparte, erhebliches rechtliches Ungemach nicht nur in Argentinien ins Haus stehen.

Bisher will sich das Unternehmen zu den Vorwürfen noch nicht weiter äussern und verkauft seine verschiedenen Roundup-Produkte weiter als „stark – schnell – sicher“ für alle landwirtschaftlichen und privaten Anwendungsbereiche. Im Sicherheitsdatenblatt wird allerdings bereits die Giftigkeit für Wassertiere betont. Ansonsten ist von Augenreizungen und Hautirritationen die Rede. Bei der diesjährigen Verkaufsaktion in Deutschland gibt es wahlweise Wellness-Gutscheine, Laptops und Handsprühgeräte für den Einsatz im heimischen Garten zu gewinnen.

Carrascos Studie ist nicht die erste, die den Mythos vom unschädlichen Totalherbizid („Ist die Quecke nicht mehr da, fahrn wir nach Amerika“) in Zweifel zieht. Prof. Gilles Seralini und seine KollegInnen von der Universität Caen veröffentlichten Anfang des Jahres eine Studie, bei der geringe Mengen von Roundup zum Absterben menschlicher Zellkulturen führten, wobei hier die Rolle der geheim gehaltenen Beimengungen zum Wirkstoff Glyphosat eine wesentliche Rolle zu spielen scheinen. Seralini kommt zu dem Schluss, dass diese Mischung bereits in Dosen wie sie typischerweise als Rückstand in mit Roundup behandelten Gentechnikpflanzen (nur sie überleben und gelangen so in menschliche und tierische Nahrung) zu erwarten sind, zu Zellschädigungen führt.

Eine vorangegangene Studie von Seralini, in der Zellschädigungen durch Roundup der menschlichen Placenta nachgewiesen wurden, schaffte es bereits 2007 in die Liste der top 25 censored stories in denen weitere Hinweise auf die Schädlichkeit von Glyphosat verzeichnet sind.

Im Vergleich zu älteren Pestiziden gilt Glyphosat als schnell abbaubar und weniger giftig für Mensch und Tier. Doch diese Einschätzung gerät nun zunehmend unter Druck.

.Unter Druck gerät Roundup allerdings auch von Seiten der Natur: Schneller als Monsantos Gentechnik-Labore, entwickelte eine wachsende Zahl der Pflanzen, denen Roundup den garaus machen soll Resistenzen gegen Glyphosat. Dies führte zunächst zu einem durchaus erwünschten Effekt: Die Menge der ausgebrachten Herbizide pro Hektar stieg in den vergangenen Jahren sprunghaft an. Zunächst erhöhen die Gentechnikbauern die  Roundup-Dosis. Danach greifen sie zu zusätzlichen Giften. Monsantos Rivale Syngenta hat sogar eine eigene website namens Resistance Fighter eingerichtet, auf der es genüsslich die Ausbreitung von Roundup Ready Unkräutern verfolgt um dann die eigenen Pestizide als Lösung des Problems anzubieten. Was in den USA begann, hat sich mittlerweile auch auf Argentinien, Brasilien und sogar in Australien bestätigt: Die „Pestizid-Tretmühle“ dreht sich weiter.

In Argentinien, wo etwa 180 Millionen Liter Roundup auf gut 18 Millionen Hektar Land versprüht werden, würde ein Verbot

die Roundup-Ready Soja-Monokultur und einen der wichtigsten Devisenbringer des Landes praktisch zum Erliegen bringen. Die Chancen für drastische Massnahmen stehen entsprechend schlecht. Kurzfristig erhofft sich Carrasco wenigstens eine veränderte Einstufung des Mittels von „gering toxisch“ in „hochtoxisch“ und rät zur Vorsorge und praktischen Maßnahmen, um Landarbeiter und Anwohner nicht weiterhin den massiven Dosen auszusetzen, mit denen sie gegenwärtig bedacht werden.

Allein in Dänemark ist Glyphosat seit gut fünf Jahren verboten, seit es im Grundwasser des Landes nachgewiesen wurde. Auf Reaktionen aus anderen Ländern, etwa aus Deutschland und der EU, den USA, Brasilien, Australien und China darf man gespannt sein.

China gehört übrigens nicht nur zu den Ländern, die Glyphosat in grossen Mengen einsetzen, sondern ist seit dem Ablauf des Patents im Jahr 2002 (dank der Vorkommen von für die Glyphosatproduktion benötigtem gelbem Phosphor im Land) auch der führende Hersteller mit einer Kapazität von fast 500.000 Tonnen Wirkstoff pro Jahr, von denen rund 80 Prozent exportiert werden. Zu sinkenden Preisen auf einem bei  gegenwärtig schrumpfendem Absatz umkämpften Weltmarkt. Der bleibt mit rund 900.000 Tonnen freilich weiterhin gewaltig. Fast ein Drittel des weltweiten Herbizidumsatzes wird mittlerweile von Glyphosat bestritten. Die Schädlichkeitsschwelle in den Studien von Professor Carrasco bewegen sich im Milligrammbereich. Dies illustriert das Ausmass seiner möglichen Implikationen.

Monsanto, das etwa 200.000 Tonnen Glyphosat pro Jahr produziert und in einer Reihe von neuen Abwandlungen des alten Wirkstoffes verkauft, meldete letzte Woche geringere Roundup-Erträge (rund 2 statt 2,4 Milliarden $) für das laufende Jahr. Dagegen steigen die Umsätze mit Saatgut auf ca. 4,5 Millarden $ an. Auch die sind freilich zu einem erheblichen Teil von der Verfügbarkeit von Roundup abhängig.

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