gestern:
turbulenter Tag. Bis Mittag im Farbeimer. Die Fassade wird schön, hell, milchkakaofarben. Es sind gleichzeitig zwei professionelle Gewerke unterwegs. Der Dachdecker macht seine Witzchen mit mir. Ich habe geschlabbert, als ich mit dem langen Pinsel die Dachkante unter der Blechtraufe streiche, die er gerade angebracht hat. Ich hole einen Lappen und wische die Kante ab. „Fertig?“ frage er, ehe er an der Stelle weitermacht. „Ja“, sage ich. „Und was ist das?!“ donnert er mir in den Rücken. Ich drehe mich erschrocken um. Da ist nichts. Er lacht. „Aber kucken tuste doch!“ freut er sich. „Hat das dein Meister immer mit dir gemacht?“ frage ich. Ja, genau. „Ständig hatter mich geärgert“. Der Mann hat goldene Zähne im Mund und einen polnischen Akzent. Auf dem geteerten Dach liegt ein kleines schwarzes Kofferradio. „every woman, every man join the caravan of love – stand up, stand up…“ Die Botschaft kriecht in mein Ohr und bleibt da bis zum Abend.
Weitere Klöße produzieren aus den Kartoffelresten, damit sie nicht vergammeln.
Fahrt zu L.’s in Reichenberg, um ihnen ein Tauschgeschäft vorzuschlagen: Ich mache ihnen ein Filmchen über den Viehtrieb heute und kriege dafür Rindfleisch vom leckeren Highländer. Sie haben gleich zugestimmt. Auf ihre pragmatische Art sind sie sogar begeistert. L.L. zeigt mir die aussichtsreichsten Perspektiven; wir entwerfen einen tollkühnen Plan, wie ich den Treck, auf dem Roller und mit der Kamera durch Ackerfurchen heizend, links und rechts überholen kann, um immer wieder an die Spitze zu kommen.
Unter blühenden Bäumen runter ins Oderbruch zur Bürgerversammlung nach Neutrebbin. Die Bürgerinitiative gegen die CCS-Einpressung unterm Bruch soll an diesem Abend gegründet werden. Es ist alles gut organisiert. 150 bis 200 Leute sind in die Turnhalle gekommen. Es ist ein bisschen wie Gorleben, denke ich bitter, die Leute werden erst wach, wenn ihr eigener Arsch nass wird. Bei der Volksabstimmung vor ein paar Wochen gegen den weiteren Tagebau in der Lausitz ging es ihnen noch allen am Selbigen vorbei. Jetzt wollen sie selbst ne Volksabstimmung machen. Alle nehmen ihre Startpositionen ein: die Vereinsmeier, die Politiker, die Rechtsbedenkenträger, die, die von früher reden, die Volkstribunen. Als das Podium die von ihm bestimmten Sprecher für die BI, die ja angeblich noch gar nicht existiert, präsentiert, mache ich spontan Verfahrenseinwände. Wie immer mache ich mir damit keine Freunde. In der allgemeinen Aufbruchstimmung will man solche Mäkeleien nicht hören.
Spät abends noch Kuchenbacken für O.’s Party.
heute also:
diese Party in Strausberg, aber erst am Abend. Vorher der Viehtrieb von L.’s Highländer-Herde, von der Höhe bei Reichenberg runter ins Stöbbertal. Hoffentlich falle ich bei meinen Dreharbeiten nicht vom Roller. Und nun drängt die Zeit. Ich will noch den Windschutz für mein Mikro wieder zusammennähen.
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