Als tausende weiße Rugby-Anhänger vor zwei Tagen Soweto stürmten, schrieben sie ein kleines Stück südafrikanische Geschichte.
Samstagabend traten die Rugby-Mannschaft aus Pretoria, die Blue Bulls, und die Rugby-Mannschaft aus Kapstadt, die Stormers, ihr „Super 14“ Finale an – und das mitten in dem schwarzen Township Soweto.
Die Kapstädter Tageszeitung Cape Times machte am Freitag schon Stimmung auf das Spiel
Rugby ist in Südafrika traditionell Sport der Weißen – vor allem der Buren – und deswegen war es ein besonderes Ereignis, dass sie ausgerechnet in Fußball-Stadium des größten schwarzen Townships des Landes das Finale austrugen. Während der Apartheid wurde unter schwarzen Südafrikanern Rugby als der Sport der Unterdrücker angesehen. Auch heute ist Rugby beliebter bei Weißen als schwarzen – und Fußball wiederum beliebter bei Schwarzen als Weißen.
Die „Super 14“ entspricht der Fußball „Champions League“ in Europa. Die stärksten Teams der südlichen Hemisphäre spielen jedes Jahr mehrere Monate lang gegeneinander – darunter die fünf besten Teams aus Südafrika, die fünf besten aus Australien und die vier besten aus Neuseeland. Vor zwei Tagen fand dann das große Finale statt, in das es dieses Jahr zwei südafrikanischen Mannschaften geschafft hatten – die Blue Bulls, bereits dreifache Gewinner der „Super14“ – und die Stormers, die dieses Jahr zum ersten Mal das Finale der härtesten Rugby-Liga der Welt erreicht haben.
Südafrikanische Kommentatoren und Meinungsführer waren sich einig, dass das ein ganz besonderer Moment für das Land ist.
Ein Anwalt aus Soweto sagte: “Für Südafrika ist der heutige Tag sogar bedeutender als die Fußballweltmeisterschaft. Die Weltmeisterschaft ist für die Welt – das heute ist für Südafrika.”
Ein anderer Bürger aus Soweto kommentierte: „Wo die Politik in Südafrika versagt hat, bringt uns der Sport zusammen.“
Auf den Fernsehbildschirmen sah man am Samstag weiße Rugby-Fans Plakate hochhalten, in denen sie sich bei ihren Brüdern aus Soweto bedankten – „Thank you Soweto for the best final ever“.
Victor Matfield, der Mannschaftkapitän der Blue Bulls sagte in einem Interview nach dem Spiel: “Heute, hier in Soweto mit den ganzen Vuvuzelas, ist ein bedeutender Tag für unser Land. Wir werden uns für eine lange, lange Zeit an diesen Tag erinnern.“
Der südafrikanische Präsident Jakob Zuma vertagte sogar seine Amtsreise nach Frankreich, um bei dem Finale dabei sein zu können und jedem einzelnen Spieler vor dem Spiel die Hand zu schütteln und zu gratulieren.
Der feierfreudige südafrikanische Präsident konnte sich diesen Anlaß selbstverständlich nicht entgehen lassen © Gallo Images
Hier singen der Präsident der „South African Rugby Union“ und Mr. Zuma die Nationalhymne Nkosi Sikelel’ iAfrika. Die südafrikanische Hymne besteht auf afrikaansen, Xhosa und englischen Versen © Gallo Images
Man sah im Fernsehen Bilder von Shebeens – den Blechhüttenkneipen von Soweto – voller Buren, die aus Pretoria – der Afrikaansen Hauptstadt – nach Soweto gekommen waren, um die Stimmung live vor Ort mitzukriegen. Sie tranken afrikanischen Bier und aßen zu ihrer Wurst mit den Händen Pap, den traditionellen Maisbrei der schwarzsüdafrikanischen Küche – bewegende Bilder, wenn man Südafrikas Geschichte kennt – und wenn man bedenkt, dass die meisten Fans, die nach Soweto gekommen waren, und jetzt in den Shebeen mit ihren schwarzen Brüdern Pap aßen, ausgerechnet Afrikaaner waren – die ehemaligen Unterdrücker.
Schwarze Südafrikaner hatten sich wiederum ihr Gesicht blau angemalt, um ihre Unterstützung für das das burische Team aus Pretoria, den Blue Bulls, zum Ausdruck zu bringen, das sie witzigerweise sogar vor dem multikulturelleren Team aus Kapstadt, den Stormers, bevorzugten. Das ganze Spiel wurde von ohrenbetäubendem Vuvuzela-Lärm begleitet – bisher mehr Fußball- als Rugbyphänomen – was schon einmal auf die WM in zehn Tagen einstimmte.
Auf Twitter kommentierte der schwarze südafrikanische Kolumnist Khaya Dlanga: „Ich habe noch nie so viel Vuvuzelas während eines Rugbyspiels gehört. Der Rugby wird hier heute afrikanisiert.“ Andere schwarze Südafrikaner kommentierten: „Die Whities (Weißen) haben die Vuvuzela entdeckt. Woza!“
Die Blue Bulls-Fans marschieren in Soweto ein – so viele Afrikaaner waren wahrscheinlich zuletzt vor der Gründung von Soweto hier © Gallo Images
Bulls go Zulu © Gallo Images
Shebeen in Soweto statt Farm-Wohnzimmer in Pretoria © timeslive
Brothers © Gallo Images
Die „Buren-Mannschaft“ Blue Bulls haben seit dem Wochenende neue Fans dazugewonnen © timeslive
Als man Samstagvormittag in den Kneipen und Sports-Bars von Kapstadt die Bilder aus Soweto sah, standen die Herzen still. Es war ein magischer Tag, vergleichbar dem unvergesslichen Augenblick 1995, als Nelson Mandela als frischgekürter Präsident in Rugby-Trikot seinen weißen Landleuten – und vor Kurzem noch Unterdrückern – die Trophäe überreichte, als diese die Rugby-Weltmeisterschaft gewannen. Clint Eastwood`s Film Invictus erzählt genau diese historische Ereignis nach. Wer sich ein Bild von der Stimmung am Samstag machen will, sollte sich den Film anschauen.
Sogar die Sport- und Spiel-Kommentatoren aus Neuseeland und Australien, die das Spiel auch live übertrugen, bemerkten wie wichtig dieses Rugby-Finale in Soweto sei, um Südafrika weiter zu vereinen, und freuten sich, auch wenn die eigenen Teams ausgeschieden waren.
Der Umstand, dass das Rugby-Finale ausgerechnet im Herzen von Soweto ausgetragen wurde war letztlich ein glücklicher Zufall. Da das Heimstadium der Tabellenführer in Pretoria wegen der in 10 Tagen beginnenden WM nicht zur Verfügung stand, wichen die Organisatoren auf Soweto aus.
Man hört, dass die blauen Bullen ab jetzt dort öfters spielen.
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Dankie, Soweto! Ein Blue Bull-Fan bedankt sich mit Herzchen für den netten Empfang in Soweto © timeslive
PS. 10 days to go!!!
Elena Beis. My Name is not Sisi. Kulturkollison x 11. Ein deutsches Pärchen reist durch Südafrika. Erschienen März 2010 bei Conbook Medien, 9,95€