vonKarim El-Gawhary 16.05.2010

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Die Debatten in Saudi Arabien über die Geschlechtertrennung haben wirklich Unterhaltungswert.

Der  erzkonservative Scheich Muhammad Al-Nujaimi hat sich immer wieder für eine strikte Trennung der Geschlechter in der Öffentlichkeit in Saudi Arabien ausgesprochen . Das folgende Video kommentiert sich selbst. Scheich Nujaimi sitzt  auf einer Konferenz gut gelaunt neben einer Frau ohne Kopftuch auf dem Podium. Das Ganze ist aufgenommen auf dem internationalen Frauentag in Kuwait. Die Frau, die neben sitzt,  ist die kuwaitische Feministin Aischa Al-Rascheed, die ihn aufs Korn nimmt.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=8A6zlb3gkqg&feature=player_embedded[/youtube]

Worüber spricht die Feministin eigentlich mit dem Scheich. Es geht darum, dass Scheich Nujaimi, der Befürworter der Geschlechtertrennung, mehrmals in Kuwait fotografiert wurde, als er dort mit Studentinnen zusammentraf. Hier eine kleine Auswahl.

Zunächst hatte der Scheich erklärt, die Bilder seien das Werk von Photoshop. Worauf die Veranstalter drohten gegen ihn Klage zu erheben. Dann erklärte er, dass doch alles seine Richtigkeit habe und er gute Gründe für sein Zusammentreffen mit dem anderen Geschlecht gehabt habe.

Es geht um eine ernsthafte Debatte, in der selbst die Reihen der berüchtigten Religionspolizei nicht mehr geschlossen sind. Ahmad Al-Ghamdi seines Zeichens niemand geringerer, als der Chef der  Religionspolizei in Mekka, hat in mehreren Interviews erklärt, dass es durchaus islamisch korrekt sei, wenn Männer und Frauen sich in öffentlichen Bereichen treffen. Er warf jenen, die sich für die Geschlechtertrennung einsetzen vor, Heuchler zu sein, da sie zu Hause oft weibliche Hausangestellte anstellen.

Ghamdi wurde gefeuert und erhielt zahlreiche SMS, die ihn als Ungläubigen verurteilten. Aber innerhalb weniger Stunden wurde er doch wieder eingestellt. Und dass, obwohl die höchste religiöse Autorität des Landes, Großmufti Scheich Abdel Aziz Al-Scheich über ihn verärgert war.

Aber da hatte wohl der König selbst dazwischengefunkt. Wo doch ohnehin gemunkelt wurde, Ghamdi stehe zu seinen öffentlichen Äußerungen nur, weil er grünes Licht von ganz oben hat. König Abdallah versucht den Frauen mehr Räume zu schaffen. Er geht dabei aber sehr vorsichtig vor, damit er nicht bei dem religiösen Establishment aneckt. Denn immerhin verdankt das Könighaus Saud den wahabitischen Scheichs seine religiöse Legitimität.
Also legt sich der Monarch selbst auf wenig fest. Dafür schickt er aber offensichtlich immer mehr Leute vor, das Territorium zu testen. Wie letzthin die saudische Hausfrau Hissa Hilal, die einem Fernsehwettbewerb nach dem Motto, „die arabische Welt sucht den Dichterstar“, die konservativen Scheichs in ihrem Heimatland in Grund und Boden gedichtet hatte und am Ende Dritte wurde. Ich hatte darüber berichtet..

Das Gegenstück zu dem ausscherenden Mann bei der Religionspolizei ist Scheich Abdel Rahman Al-Barrak. In einem Fatwa ruft er dazu auf, jene zu töten, die für eine Vermischung der Geschlechter aussprechen und dieser Position nicht abschwören.

Aber noch einmal zurück zum König. Er arbeitet auch mit Symbolen. Etwa der wachsenden Zahl von Pressefotos, die den Monarchen zusammen mit Frauen zeigen, und das nicht nur Bundeskanzlerin Merkel und US-Außenministerin Hillary Clinton im Gefolge. Kürzlich hatte er sich mit einer Gruppe saudischer Studentinnen ablichten lassen.

Die Frauenfrage brennt den Saudis offensichtlich unter den Nägeln. Das „Zentrum für Frauenstudien“ in Riad.  hat von Mitte Januar 2009 bis Mitte Februar 2010 saudische Zeitungen und Webseiten untersucht. In sage und schreibe 40 Prozent der Zeitungsartikel ging es um frauenrelevante Themen, Bei den Webseiten waren es sogar 58 Prozent.

Fazit: Nirgendwo auf der Welt haben die Frauen wenige Rechte. Aber nirgendwo wird soviel darüber geschrieben, wie in Saudi Arabien selbst.

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