vonsaveourseeds 18.05.2009

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Unter dem Titel „Gentechnik muss sein“ erklärt uns heute in der Financial Times die Forschungsministerin persönlich warum es ohne Gentechnik nicht geht. Falls nämlich, nur mal angenommen, jetzt plötzlich ein Kälteeinbruch kommt, dann wächst der Mais nicht mehr so richtig und dann hilft nur noch Gentechnik…

Man spürt gleich am Anfang die volle Kompetenz: Was uns in Zukunft erwartet, spüren wir schon heute: Angesichts des wärmsten Aprils seit Beginn der Wetteraufzeichnung rechnen deutsche Landwirte in diesem Jahr mit hohen Ernteeinbußen, erklärt uns die Ministerin. Schaumama, sagt der gemeine Landwirt. Falls die Ernte tatsächlich heuer schlecht ausfällt, dann hat das jedenfalls nichts mit dem zu warmen April zu tun, sondern damit, dass er extrem trocken war. Weshalb wir deshalb, wie Frau Schavan nun weiter ausführt, unbedingt so schnell wie möglich neue Maissorten brauchen, die auch in kälterem Klima gedeihen, verstehe wer will. Weshalb dann auch noch Gentechnik dazu erforderlich sei, aus Wildsorten, die deutsche (!) Forscher jetzt in den Anden fanden, bessere Kälteverträglichkeit in gängige Sorten einzukreuzen, bleibt der Ministerin Geheimnis. Fest steht aus ihrer Sicht: „Erste Genabschnitte für die Kältetoleranz konnten bereits identifiziert werden. Nun gilt es, dieses Wissen für heutige Hochleistungssorten zu nutzen“ – Erste Genabschnitte! So stellt sich Annette die Gentechnik vor. Jetzt brauchen wir nur noch die anderen und dann ist alles in Butter. Es stimmt gewiss, hohe Komplexität dient  in Kommentaren nicht immer der Verständlichkeit. Grobe Vereinfachung allerdings, auch dies ist zu bedenken, kann zu schlicht falschen Schlüssen führen. Und wo, bitte, lag jetzt nochmal das Problem? Egal, setzen wir erst noch eins drauf: Mit traditionellen Methoden allein wird sich selbst ein moderates Ziel wie der stabile Ertrag bei sich verändernden Umweltbedingungen nicht sichern lassen. Ist das so? In der wissenschaftlichen Literatur finden sich für solcherlei Frivolitäten kein Beleg. Aber es klingt erst mal irgendwie gut.

Dann lesen wir allerlei Einerseitsandererseits zur künftigen Nutzung von Pflanzen für unseren Energiebedarf, das gar nicht direkt falsch ist. Den Kernsatz allerdings, dass die Einsparung von Energie der einzige Weg aus der Klimakrise ist und Bioenergie auch in Zukunft unweigerlich nur eine marginale Rollen spielen kann, vermissen wir. Die Rede ist von effizienteren Anbaumethoden, der Nutzung der ganzen Pflanze und der Konkurrenz zwischen Teller und Tank. Und plötzlich ist sie wieder da: Die Gentechnik kann hier neue Möglichkeiten für verantwortliche und zugleich nachhaltige Lösungen schaffen. Belege und Beispiele fehlen.

Jetzt zum Schlussakt:„Bis heute gibt es keine wissenschaftlichen Belege für gesundheitliche oder ökologische Schäden durch die grüne Gentechnik.“ Gibt es zwar reichlich, in Forschung wie Praxis; werden aber gerne als Beleg dafür angeführt, dass in der Tat bestimmte gefährliche Konstrukte erkannt und frühzeitig aus dem Verkehr gezogen wurden. Geht es dagegen um reale Schäden pestizid-abhängiger Monokulturen, lautet das Argument, die Schäden kämen nur von den Pestiziden und hätten rein gar nichts mit der Tatsache zu tun, dass die Pflanzen gentechnisch dagegen resistent gemacht wurden.

Jetzt grosses Schlusswort: Wir müssen jetzt die Weichen stellen für eine grüne Wende in der Landwirtschaft. Da stimmen wir Frau Schavan vollinhaltlich zu. Bloss was hat das nun wieder mit der Gentechnik zu tun?

Fazit: Auch Phrasen wollen gekonnt gedroschen sein. Ob auch da die Gentechnik künftig wichtige Beiträge leisten kann, ist noch nicht raus. Wir empfehlen deshalb erst mal die konventionelle Methode: Wechseln Sie den ghostwriter!

P.S. … und bei der Gelegenheit, wie schon besprochen, gleich auch noch die Besetzung Ihres „Runden Tisches“ zur Gentechnik in Deutschland, der sich übermorgen zum ersten Mal treffen soll.

Campact würde sich freuen.

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https://blogs.taz.de/schavan_braucht_kaelte-resistenten_mais/

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