Immer seltener komme ich dazu, mich im Schloß blicken zu lassen. Seitdem ich die repräsentative Stadtwohnung im Ersten Bezirk bezogen habe, treffe ich mich mit Freunden und neuen Kollegen, darunter auch zunehmend Kulturschaffende, Kulturfunktionäre, Politiker und Mitglieder des Klerus, in der Nähe der Wohnung, am liebsten im Kippenberger-Lokal Cafe Engländer. Aber jetzt, an Ostern, komme ich wieder ins Schloß und kümmere mich um das Personal, oder wie es hier noch heißt, ‚das Gesinde‘. Es sind sehr zutrauliche Leute, einfach, gut und sogar kirchentreu. In der schloßeigenen Kapelle wird noch richtig gebetet, fast möchte man das Wort inbrünstig dafür verwenden. Der Herr möge alles richten, Krankheiten abwenden, die Stelle erhalten und das Gehalt erhöhen. Der Herr kann also auch der Schloßherr sein, denke ich mir, und wandele seltsam euphorisch unter den prachtvoll blühenden alten Obstbäumen.
Anzeige