vonInitiative 05.10.2024

Schlossaneignung

Warum und wie man die ausgelöschten Spuren des 20. und 21. Jahrhunderts in das Berliner Schloss einschreiben sollte.

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Fühlen Sie sich durch den Rekonstruktionsbau des Preußenschlosses repräsentiert?

Zum Glück fühle ich mich sehr selten durch ein Gebäude repräsentiert – und durch dieses Gebäude nun wirklich nicht.

Beschreiben Sie bitte kurz Ihre Rolle in der Auseinandersetzung um den Ort.

Als ich 1989 von Hamburg nach Berlin zog und dann mein Architekturstudium begann, hatte ich mich noch gar nicht mit der DDR-Geschichte und -Architektur befasst. Ich musste erst einige von Philipp Oswalt – damals noch Student an der TU Berlin – organisierte Symposien besuchen, um überhaupt zu verstehen, worum es gehen kann.

2004 kam dann Philipp Oswalts Aufruf, Ideen für die Zwischennutzung des entkernten Palastes der Republik zu entwickeln. Daraufhin haben wir die „Fassadenrepublik“ vorgeschlagen. Denn zu diesem Zeitpunkt verfolgten u.a. der Landmaschinenhersteller Wilhelm von Boddien und die Bertelsmann-Stiftung bereits das Ziel, die historischen Schlossfassaden in Mitte wieder aufzubauen. Wir hatten schon damals den Eindruck, dass es dabei nur um die äußere Erscheinung geht, aber nicht um die Inhalte. Das führte auch zu meiner Sozialisation als Architekt: Mich interessiert viel mehr das, was in einem Gebäude passiert als seine Hülle – die Gestaltung des Äußeren entsteht ja eigentlich nebenbei. Es geht aber vielmehr um die Entwicklung der Programmierung, die Software der Räume, und darum, sie räumlich so zu umzusetzen, dass auch die nächste Generation damit noch etwas anfangen kann.

Sie entwickelten für die Zwischennutzung des Palastes der Republik 2004/2005 sowohl den „Berg“ als auch die „Fassadenrepublik“ mit Bootstouren durch den gefluteten Palast …

Die Flutung ist bis heute ikonisch, im Rückblick vielleicht eine der stärksten künstlerischen Arbeiten, an denen ich mitarbeiten durfte. Auch der „Berg“ war ein Versuch, die Hülle zu überwinden und zu sagen: Es kann nicht um die Fassade allein gehen. Es muss darum gehen, was wir hier eigentlich wollen. Diese Diskussion ist aber völlig von der Fassadendebatte überlagert worden und darunter leidet das jetzige Gebäude eben auch: Es wurde ja nie öffentlich diskutiert, was darin passieren soll und wie das dann nach außen aussehen könnte.

Derzeit wird der inzwischen abgerissene Palast der Republik mit einer Ausstellung und diversen Aktionen innerhalb der Schlossfassaden thematisiert. Was halten Sie davon?

Das ist ein verzweifelter Versuch, dieser verfahrenen Situation gerecht zu werden. Ich beneide niemanden um diese Aufgabe. Es ist einfach das falsche Gebäude, das dort steht und es ist immer noch nicht klar, was es eigentlich soll. Ein Gebäude, das sich an seiner eigenen Geschichte abarbeitet, ist kein besonders tragfähiges Konzept.

Was wäre Ihre Vision für diesen Ort?

Der Karren sitzt bereits ziemlich tief im Dreck. – Ein Hauptargument aus heutiger Sicht, den Rohbau des Palastes dort zu belassen und umzunutzen, wäre ja die Klimabilanz gewesen: Enorm viel Energie wurde aufgewendet, allein schon, um das alte Gebäude abzureißen, mit Sand zu verfüllen, den Stahl nach China zu verfrachten, ganz zu schweigen vom Neubau. Aber auch die vielen Debatten, die endlosen Wettbewerbe und die intriganten Machenschaften während des Prozesses haben viel Energie gekostet. Und jedes Jahr wird sehr viel Steuergeld in das Gebäude und sein Programm hineingepumpt. Das ist ein großer Ballast.

Das Problem ist: Wenn man eine nachhaltige Vision dafür entwickeln soll, müsste man eigentlich mit diesem schrecklichen Gebäude weiterarbeiten. Das ist natürlich völlig perfide.

abo

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Mich würde eher das ehemalige Ethnologische Museum in Dahlem locken, das ist gute Architektur, damit kann man etwas machen. Auch beim Palast wusste ich, dass dort vieles möglich wäre, vor allem, wenn man solche Gebäude wie das Centre Pompidou in Paris kennt. Aber ich wüsste nicht, was man mit einem Schlossnachbau mit Kuppel und Kreuz sinnvoll machen könnte.

Vielleicht muss das Schloss, so wie in Braunschweig, einfach eine Shopping Mall werden. Oder die Bundesregierung zieht dort ein. Dann sollen sie doch bitte selbst damit klarkommen und nicht die Öffentlichkeit damit belasten. Ich plädiere für einen Tausch: Wir nehmen stattdessen das Band des Bundes als Museum, dort fänden auch die Sammlungen Platz. Oder das Bundeskanzleramt: Ich könnte mir vorstellen, dass es als Kulturort gut funktioniert. Dort könnte man dann mit dem Haus der Kulturen der Welt zusammenarbeiten.

Und man müsste die Sammlungen ausgliedern aus der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Schon der Name ist problematisch: Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Wieso Besitz, und wer ist Preußen? Die Sammlungen gehören doch eigentlich der ganzen Welt! Insofern wäre eine Übertragung an das Haus der Kulturen der Welt gar nicht so falsch. Es könnte auch die Provenienzforschung übernehmen, denn dieser Institution traut man es zu, dass sie das können und auch ernsthaft wollen.

Benjamin Foerster-Baldenius ist darstellender Architekt und Teil des Kollektivs raumlaborberlin. Er plant und realisiert Installationen und Interventionen im öffentlichen Raum, erstellt Szenografien und Dramaturgien für Bühnen, Plätze und Ausstellungen und entwirft Veranstaltungs- und Unterrichtsformate. Unter anderem realisierte er Projekte wie working on common ground für die Manifesta 14 in Pristina, 2465 Enright für die Pulitzer Foundation in St. Louis und die Floating University in Berlin, deren Vorstand er seit 2018 angehört und für die raumlabor 2021 bei der Architekrurbiennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Er ist gerade Professor für Cohabitation sowie Vize-Rektor an der Städelschule in Frankfurt.

Das Gespräch führte Ulrike Steglich.

Statement von Benjamin Foerster-Baldenius als Video.

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