vonInitiative 14.10.2024

Schlossaneignung

Warum und wie man die ausgelöschten Spuren des 20. und 21. Jahrhunderts in das Berliner Schloss einschreiben sollte.

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Fühlen Sie sich durch das Berliner Schloss als Symbolbau repräsentiert?

Nein. Überhaupt nicht. Es ist ein Ort, an den ich nie gehe. Ein für Berlin untypischer, in den Maßstäben unangenehmer und unpersönlicher Ort. Die Rekonstruktion der Fassade passt nicht zu dem, was Berlin heute ausmacht. Dazu kommt, dass die Freiräume um das Schloss komplett versiegelt sind, dass sie keine Aufenthaltsqualität haben und ein Klimahotspot sind.

Was verbindet Sie persönlich mit dem Konflikt um diesen Ort?

Damit verbindet mich eine lange Geschichte. Ich habe zwischen 1992 und 96 an der Kunsthochschule Weißensee Architektur studiert, das war genau die Zeit, als die Auseinandersetzung um diesen Ort sehr intensiv war. Es gab damals einen Ideenwettbewerb, den Aedes angestoßen hatte. Ein teilnehmendes Büro war Boris Wilson, und weil Peter Wilson im Studium mein Mentor war, habe ich mich allein deshalb schon mit der Problematik dieses Ortes auseinandergesetzt. Ich habe selbst Entwürfe dazu gemacht. Bei einem späteren Ideenaufruf der taz kam mein Entwurf auf den dritten Platz.

Ich erinnere mich an die Energie, die in Berlin damals war: Ein Neubeginn! Zwei Städte wachsen zusammen! Diese Energie habe ich bei der Zwischenpalastnutzung empfunden. Es hätte ein Ort werden können, an dem Berlin wirklich hätte zusammenwachsen können. Ein Ort für alle Berliner und Berlinerinnen, an dem diese Energie zu spüren ist.

Nach der Entscheidung für die barocke Rekonstruktion der Fassade – und nach der baulichen Umsetzung – habe ich diesen Ort komplett aus den Augen verloren. Er interessierte mich nicht mehr, er gehört einfach nicht mehr zu meiner Stadt. Das betrifft auch das Programm des Humboldt Forums. Ich glaube, das geht in Berlin sehr vielen Leuten so. Mein Eindruck ist, dass die gesamte Kreativkultur, von der Berlin ja auch lebt und sich immer wieder neu generiert, mit diesem Ort überhaupt nichts anfangen kann. Und das, obwohl er in der Mitte Berlins liegt.

Was fordern Sie für diesen Ort?

In einer ersten Phase sollte mit dem jetzigen Ideenwettbewerb der Ort wieder angeeignet werden. In einer zweiten Phase sollte der Ort um das Schloss, das Plateau, klimaresilient werden. Die versiegelten Flächen sollten aufgerissen und bepflanzt werden, sodass das Ganze grüner und lebenswerter wird.

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In einer dritten Phase könnte das Straßenfest des Karnevals der Kulturen hier her verlagert werden. Fast ebenso lange wie ich mich mit dem Ort auseinandersetze, an dem jetzt das Humboldt Forum steht, begleite ich den Karneval der Kulturen in Berlin. Nach dem Studium wurde ich Filmemacher und seit fast dreißig Jahren mache ich die offizielle Dokumentation des Karnevals der Kulturen, der seit vergangenem Jahr ein offizielles Traditionsevent ist.

Ich sehe, wie stark sich unsere Gesellschaft verändert hat. Wir leben in einer pluralen, postmigrantischen Gesellschaft mit all ihren Kulturen. Es gibt so vieles, um das diese Kulturen unsere Stadt bereichern. Zugewanderte Menschen, die oft bereits in der zweiten, dritten Generation hier leben, gehören dazu und sind Berliner und Berlinerinnen geworden. Sie begreifen den Karneval der Kulturen als ihr Fest.

Ich meine, dass der Ort, auf dem heute das Humboldt Forum steht, diese Leute überhaupt nicht repräsentiert. Wegen des anstehenden Umbaus der Amerika-Gedenkbibliothek braucht das Straßenfest des Karnevals der Kulturen zukünftig einen neuen Ort. Was wäre da passender als der Ort rund um das Humboldtforum? So hätte dieses die Chance, zu einem wirklichen Identifikationsort der vielfältigen Berliner Kulturen zu werden.

Fred Plassmann ist ausgebildeter Architekt und Meisterschüler der Kunsthochschule Berlin Weißensee. Mit der von ihm gegründeten OFFscreen Medienproduktion realisiert er Dokumentationen, Kurzfilme, Installationen und Imagefilme zu Kunst, Kultur und Architektur.

Das Gespräch führte Tina Veihelmann.

Die Petition der Initiative Schlossaneignung kann hier mitgezeichnet werden.

Statement von Fred Plassmann als Video.

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