Wie sind Sie als Architekt, der aus Venezuela stammt und in Mexiko lebt und praktiziert, dazu gekommen, an dem Ideenwettbewerb Schlossaneignung teilzunehmen?
Ich arbeite in einem aufgeschlossenen Team. Öffentliche Wettbewerbe oder Ausschreibungen nehmen wir als Gelegenheiten wahr, um Argumente oder Standpunkte zu Themen zu entwickeln, die uns interessieren. Es gibt Themen, die keine Grenzen kennen. Abgesehen davon, dass wir nicht in Berlin wohnen und dadurch den Blick von „außen“ einnehmen, fühlen wir uns zugleich involviert. Das Wirken gesellschaftlicher Kräfte auf Architektur und Städte interessiert uns zweifellos. In diesem Fall hatten wir schon seit dem Architektur-Wettbewerb für den Wiederaufbau des Schlosses das Geschehen verfolgt und waren daran interessiert.
Wie nehmen Sie die Kontroversen um diesen Ort und dieses Gebäude wahr?
Weil das wiederaufgebaute Stadtschloss dem alten Preußenschloss ähnelt, das nach dem Krieg durch eine Ikone der modernen Architektur ersetzt wurde, steht es da als ein Denkmal der Nostalgie, das durch die aufkommende konservative Stimmung in Deutschland möglich wurde. Und zugleich ist die Absicht doch, dass es selbst Teil dieser rechten, emotional manipulativen Propaganda sein soll.
Was ist Ihre Vision vom diesem Ort?
Wir glauben, dass Bildung und Debatte zentrale Aufgaben einjeder Gesellschaft sein sollten. Das gilt für wissenschaftliche und akademische Forschung ebenso wie für den Austausch mit Touristen und Schulkindern.
Unser Vorschlag ‚Theatre of memory‘ versucht auf eine uneingeschüchterte, spielerische, vielleicht sogar kindliche Weise, einige der verdrängten Spuren in dem Gebäude neu zu interpretieren. Auf suggestive Weise und durch ephemere Elemente sollen die Spuren der Zeit enthüllt und in Begegnungsräume verwandelt werden. Wir wollen, dass das Theater ein Raum gibt für Gespräche, Bildung und Debatten über die Zukunft des Gebäudes, wo jede*r an diesen Entscheidungen teilhaben kann.
Die Konstruktion von Erinnerung darf nicht Sache einiger weniger sein und auch nicht Gegenstand einer auf Emotionen ausgerichteten Manipulation. Also müssen wir uns daran erinnern, dass keine Ideologie einen Alleinanspruch auf Erinnerung und Geschichte unserer Städte hat – und noch weniger auf ein konstruiertes Vergangenheitsbild einer Nation.
Maximilian Nowotka ist in Mexiko tätiger Architekt und Kurator. Seine Praxis ist an der Schnittstelle von Architektur, Design, Kuration,, Ausstellungsdesign, Kommunikation und Kulturmanagement angesiedelt. Dabei arbeitet er in verschiedenen Maßstäben und befasst sich vor allem kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen, die die Disziplin des Designs und der Architektur heute prägen.
Das Gespräch führte Felix Hofmann.
Bei dem Ideenaufruf „Schlossaneignung“ hatten Künstler*innen, Architekt*innen und Gestalter*innen aus 16 Ländern 153 Arbeiten eingereicht. Die Ergebnisse können hier eingesehen werden.