vonInitiative 07.10.2024

Schlossaneignung

Warum und wie man die ausgelöschten Spuren des 20. und 21. Jahrhunderts in das Berliner Schloss einschreiben sollte.

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Sagen Sie bitte kurz etwas zu Ihrer Person.

Ich bin Architektin in Berlin und engagiere mich ehrenamtlich bei „Architects for Future“, einer Bewegung, die solidarisch mit der „Fridays for Future“-Bewegung ist und sich für eine ökologisch und sozial nachhaltige Bauwende einsetzt. Zusammen mit einem Kollegen gestalte ich gerade eine Gastprofessur an der TU Berlin für klimagerechtes, sozial gerechtes und zukunftsfähiges Bauen. In diesem Zusammenhang bringe ich mich auch bei der „Berlin Plattform“ für Belange der Stadtgestaltung ein.

Was hat Sie bewogen, die Initiative Schlossaneignung zu unterstützen?

Der Schlossnachbau wurde auf öffentlichem Grund errichtet und hauptsächlich durch Steuergelder finanziert, die wir alle als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes über unsere Steuern mittragen.

Jetzt gibt es viele, die sagen: Aber für die Fassade wurden doch auch viele private Spendengelder gesammelt. Genau hier ist das Problem: Denn unter den Spenderinnen und Spendern gibt es nachweislich zahlreiche Personen, die dem rechten bis rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden. Uns geht es darum, dass dies transparent gemacht wird.

Denn dort soll ja ein demokratischer Bau stehen. Doch dieses Gebäude, das einen prominenten Platz mitten in der Stadt besetzt, ist nun zweifelhaft in der Finanzierung. Wenn wir ihn als öffentliche Stadtgesellschaft tragen und auch der Bund beteiligt ist, dann haben wir ein Recht darauf zu wissen, wer hinter den Spenden steckt.

Wir wollen darauf aufmerksam machen, welche Kräfte dort wirken. Bei einer sozial gerechten Stadtgestaltung geht es auch um Demokratisierung. Wenn öffentliche Gelder eingesetzt werden, muss die Öffentlichkeit einbezogen werden und sie muss sich dort repräsentiert sehen. Hier ist jedoch ein öffentlich finanziertes Gebäude auf einem öffentlichen Platz konnotiert und quasi übernommen worden von rechten Spenderinnen und Spendern, die es mit kaiserlich-preußischer, christlicher Symbolik besetzen und für alle sichtbar ihre Botschaften präsentieren. Das konterkariert, wofür unser Staat eigentlich steht, nämlich für die repräsentative Demokratie als Regierungsform und für die Trennung von Staat und Kirche.

Sie setzen sich besonders für eine nachhaltige Stadtgestaltung ein. Wie könnte eine Aneignung des Ortes in diesem Sinn aussehen? Abriss käme schließlich nicht die Frage.

Das Schloss steht jetzt da, mit allen Ressourcen, die dort hineingeflossen sind. Aber man muss immer wieder darauf hinweisen, dass es nicht das Originalschloss ist, sondern ein Stahlbetonbau mit vorgehängter Fake-Fassade. Es ist also nicht das, was es zu sein scheint. Auch inhaltlich passt es nicht: Es möchte ein Humboldt-Forum sein, das Weltgeschichte erzählt, aber nach außen präsentiert es sich preußisch-christlich.

Man muss auch die Vorgeschichte dieses Gebäudes erzählen und welche Diskussionen es dazu gab, vor allem im Zusammenhang mit dem Palast der Republik. Es ist geradezu absurd, dass jetzt eine Ausstellung im Humboldtforum den Palast der Republik als Baudenkmal feiert. Im Museumsshop kann man für viel Geld kleine Glassplitter und Lampen aus dem Palast kaufen. Doch als der Palast dort noch stand und eine Rettung und Nachnutzung nach der Asbestbeseitigung gut möglich gewesen wäre, wurde das nicht wertgeschätzt. Die Geschichte Deutschlands ist jedoch vielschichtiger als Kaiserreich, Preußentum und Westdeutschland, sondern es gab eben auch die DDR, die zu dieser Geschichte gehört. Das muss man zeigen und man kann auch die dazugehörigen Zeichen nicht einfach auslöschen. Der entkernte Palast der Republik wäre dafür ein guter Ort gewesen.

Was ist Ihre Vision für den Ort?

Der erste Schritt wäre eine wirklich wahrnehmbare Aufklärung über die Geschichte dieses Platzes. Es gibt in einem der Durchgänge des Schlosses eine Stele mit Informationen darüber, dass an diesem Ort etwa alle 80 Jahre eine Revolution, ein Umbruch stattfand. Aber nach außen wirkt der Bau, als wäre er schon immer dort gewesen. Es gilt auch, den Entstehungsprozess dieser Schlossrekonstruktion noch einmal aufzuarbeiten: Welche Kräfte waren damals am Werk, um einen solchen Lobbyismus für die Schlossfassaden zu schaffen?

Der zweite Schritt wäre, das Gebäude an die Bevölkerung zurückzugeben. Das versucht dieser künstlerische Wettbewerb: zu fragen, wie man auf kreative, künstlerische Weise die unterschiedlichen Ebenen der Geschichte dort sichtbar machen kann. Und vielleicht gelingt es, auch die Bevölkerung einzubinden, etwa mit Workshops oder Werkstätten. Vielleicht gibt es dann Teile des Schlosses, die immer wieder neu bespielt werden können, unkuratiert und ohne Vorgaben. Stadtgestaltung sollte demokratisch und inklusiv sein, nicht exklusiv und nicht nur für die, die viel Geld haben.

Eine Art Volksschloss?

Volkskulturschloss wäre ein guter Begriff. – Mich beschäftigt noch etwas anderes: Ich meine, es war von Boddien selbst oder ein anderer führender Schlossunterstützer, der einmal in einer Podiumsdiskussion sagte, er hätte als Kind das Schloss niederbrennen sehen und sich seitdem geschworen, es wieder aufzubauen. Für mich schließt sich hier der Kreis zur Klimakrise: Mit wie vielen Kindheitsträumen von „alten weißen Männern“ haben wir es zu tun, die uns jetzt total ruinieren und die einfach nicht mehr zeitgemäß sind? Demokratische Stadt bedeutet auch zukunftsfähige Stadt: Die Generation, die jetzt das Geld hat und an den Machthebeln sitzt, hat gerade deshalb auch die große Verantwortung, nicht nur für sich allein zu entscheiden, sondern in die Zukunft blicken und auch an die nächsten Generationen zu denken. Das gilt für die Klimakrise genauso wie für die soziale Krise und die Stadtgestaltung.

Ist der Schlossplatz in seinem jetzigen Zustand ein zukunftsfähiger Stadtplatz?

Nein, denn er spiegelt die Vergangenheit und die nostalgischen Träume der Spenderinnen und Spender wider. Ganz zu schweigen davon, dass es dort weder Bäume noch Versickerungsflächen gibt. Auch solche Dinge müssen berücksichtigt werden, damit der Platz künftig nutzbar ist. Denn die Hitze wird weiter zunehmen.

Man könnte das Schloss zuwachsen lassen …

(Lacht) Ja, ein Dornröschenschloss. Dann wären wir noch früher in der Geschichte und noch romantischer … Vielleicht wäre das auch eine radikal nachhaltige Antwort: entsiegeln, zuwachsen lassen, Schattenplätze schaffen, Solarpaneele und Windkraftanlage obendrauf, eine klimaresiliente Schwammstadt im Schloss.

Elisabeth Broermann engagiert sich bei „Architects for Future“ und gestaltet gemeinsam mit Adrian Nägel eine Gastprofessur am Institut für Architektur (IfA) der TU Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Nachhaltiges Bauen, Umbau und Sanierung.

Das Gespräch führte Ulrike Steglich.

Statement von Elisabeth Broermann als Video.

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