Beginnen wir mit ein paar Worten über Sie selbst.
2019 habe ich das Büro louta et al. mitgegründet, das Zweigstellen sowohl auf den Philippinen, als auch in Japan hat. Mit unserer Praxis möchten wir uns nicht auf die üblichen Unterscheidungen im Bereich der gebauten Umwelt festlegen.
Derzeit schreibe ich an einem Buch mit, das sich mit indigenem Designs auf den Philippinen befasst. Es ist nicht nur prinzipiell nachhaltig, sondern auch unmittelbar alltägliche Handlungen eingebettet. Dieses Wissen ist wertvoll im Angesicht der ökologischen Krise, die für mich die größte Herausforderung für die Menschheit darstellt.
Wie sind Sie dazu gekommen, sich an dem Ideenwettbewerb Schlossaneignung zu beteiligen?
Mit dem Team von louta et al. möchten wir uns nicht nur gestalterisch anspruchsvollen Aufgaben stellen, sondern auch solchen, die uns unsere eigenen Absichten hinterfragen lassen. Ich meine damit unsere Vorstellung von verschiedenen Aspekten des Lebens – seien sie sozialer, kultureller, politischer oder wirtschaftlicher Natur – und wie diese unsere kreativen Prozesse beeinflussen.
Was uns an dem Projekt am meisten gereizt hat, ist die Frage, wem Geschichte eigentlich gehört. Wir waren an die Kolonialgeschichte der Philippinen erinnert – insbesondere an die Negation und Auslöschung, die vor 500 Jahren mit der Verleugnung der Identität unserer indigenen Völker begann – und mit der wir uns bis heute auseinandersetzen. Für uns liegt in dem Aufruf zur Schlossaneignung ein Moment der Solidarität, da er die Gewalt des Vergessens und des Verbergens in den Vordergrund stellt.
In unseren Überlegungen zum Stadtschloss, haben wir den Begriff der Rekonstruktion über das Menschliche hinaus zugespitzt. Zur anthropozentrischen Geschichte gehört die Anerkennung unserer Mitschuld am der fortschreitenden Verfall unserer planetaren Lebensgrundlagen – welcher in seinem Höhepunkt gewaltvolles Aussterben bedeutet.
Was ist Ihre Vision für diesen Ort?
Für uns trägt die Schloss-Fassade ein Gewaltverhältnis in sich, weshalb wir nicht nur vorschlagen, Schichten idealisierter Fantasievorstellungen, die auf Imperialismus, Unterdrückung und Enteignung beruhen, zu entfernen. Sondern wir verweisen auch auf die radikale Auslöschung der gesamten Menschheit, welche durch die ökologische Krise ausgelöst wird. Denn die Krise, mit der wir konfrontiert sind, ist in kolonialen Machtverhältnissen verankert.
Unser Vorschlag ist ein Auftakt: In den Rissen der Architektur beginnt die Natur in einem trotzigen Akt ihre Rückeroberung. Dieses post-anthropozäne Szenario soll nicht nur das menschliche Selbstbewusstsein und Gewissen berühren, sondern zum Widerruf der menschzentrierten Denkweise führen, die der Zeit der Renaissance und schließlich der Aufklärung entspringt.
Wir sind uns dem Verkürzungspotential bewusst, die in der Romantisierung einer Zeit vor der Menschheit steckt. In der Situation, in der wir uns nun befinden – und damit haben wir wohl auch die eigentlichen Absichten des Ideenwettbewerbs erweitert – stellt sich jedoch die Frage: Warum nicht? Zumal alle anderen Vorschläge zur Rettung dessen, was von den Ökologien noch geblieben ist, ins Leere laufen.
Das Gespräch führte Felix Hofmann.
Bei dem Ideenaufruf „Schlossaneignung“ hatten Künstler*innen, Architekt*innen und Gestalter*innen aus 16 Ländern 153 Arbeiten eingereicht. Die Ergebnisse können hier eingesehen werden.