vonInitiative 05.11.2024

Schlossaneignung

Warum und wie man die ausgelöschten Spuren des 20. und 21. Jahrhunderts in das Berliner Schloss einschreiben sollte.

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Wie sind Sie dazu gekommen, am Wettbewerb Schlossaneignung teilzunehmen?

Ich interessiere mich für den Schnittpunkt von historischer Symbolik und dem zeitgenössischen kulturellen Austausch. Als Künstler, der sich mit Identität, Erinnerung und Kolonialgeschichte auseinandersetzt, kam mir die Ausschreibung zu diesem Wettbewerb gelegen. Er bot eine Möglichkeit, sich kritisch mit dem Erbe des Berliner Schlosses und seinem Wiederaufbau auseinanderzusetzen und sich dabei eine neue Vorstellung zu entwickeln, was dieser aufgeladene Raum im heutigen Kontext darstellen kann. Der Fokus auf die Rückgewinnung und Umdeutung öffentlicher Räume entsprach meinen kreativen Absichten und passte daher sehr gut zu meiner Arbeit.

Haben Sie die Kontroversen um den Wiederaufbau verfolgt? Welche Bedeutung hat für Sie der symbolische Wiederaufbau des Berliner Schlosses?

Ja, ich habe die Diskussionen und Kontroversen um den Wiederaufbau des Berliner Schlosses verfolgt. Die Entscheidung, das Schloss mit all den problematischen Verweisen wieder aufzubauen, hat viele Debatten über die koloniale Vergangenheit Deutschlands und die Auslöschung kritischer historischer Narrative ausgelöst.

Für mich steht das rekonstruierte Schloss als komplexes Symbol sowohl für historische Macht als auch für kulturelle Ambivalenzen. Es evoziert Fragen über Identität, Kolonialismus und die Narrative, die wir bewahren oder umgestalten wollen. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Wiederaufbau fühlte sich wie eine Gelegenheit an, sich mit den historischen Schichten des Ortes zu konfrontieren, sie zu kritisieren und möglicherweise Perspektiven zu Gehör zu bringen, die historisch zum Schweigen gebracht wurden.

Sie haben wiederholt mit Auntie-Deidei-Puppen gearbeitet. Was ist ihre Geschichte? Und inwieweit können sie mit dem Berliner Schloss in Verbindung gebracht werden?

Die Auntie-Deidei-Puppen sind ein zentrales Element in meiner Arbeit. Ich habe sie als Symbole für Widerstandsfähigkeit, Weisheit und das alltägliche Leben afrikanischer Frauen eingeführt. Benannt nach dem Kosenamen für ältere Frauen meiner Kultur, stehen die Puppen für Weisheit, die über die Generationen hinweg weitergegeben wird.

In Bezug auf das Berliner Schloss bilden die Auntie-Deidei-Puppen einen Kontrapunkt zum Prunk und dem Kolonialerbe, die durch die Schlossfassade verkörpert werden. Die Figuren erinnern an die persönlichen wie kulturübergreifenden Geschichten, die in den Erzählungen der Kolonisierenden oft ausgeblendet werden. Indem ich diese Puppen in den Kontext des Berliner Schlosses stelle, möchte ich einen Dialog zwischen den marginalisierten Geschichten und dominanten historischen Strukturen schaffen und die Betrachter*innen auffordern, zu überdenken, wessen Geschichten im öffentlichen Raum erinnert werden.

Was ist Ihre Vision für den Ort?

Meine Vision für das Humboldtfroum wäre, dass es ein Ort des aktiven Dialogs und der Inklusion wird. Ein Ort, an dem komplexe Geschichten nicht nur rezipiert, sondern hinterfragt und neu ausgeleuchtet werden können. Ich stelle mir das Schloss als Schauplatz für verschiedene kulturelle Ausstellungen, Diskussionen und Installationen vor, die sich mit der kolonialen Vergangenheit Deutschlands und ihren Auswirkungen auf die moderne Gesellschaft auseinandersetzen. Das würde bedeuten, dass innerhalb des Schlosses Räume geschaffen werden, die die durch den Gang der Geschichte marginalisierte Perspektiven würdigen und zu einer ständigen öffentlichen Interaktion einladen. Im Idealfall würde das Humboldtforum nicht nur zu einem Geschichtsspeicher werden, sondern auch die gemeinschaftliches Heilen, Reflexion und Wachstum fördern.

Larry Bonchaka (*1994) ist Kultur-Innovator, welcher sich von globalen Phänomenen inspirieren lässt. Im Zentrum seines Schaffens steht die Dringlichkeit, gesellschaftliche Probleme zu lösen und zu kommentieren, in einer Verbindung seiner Interessen an Architektur, Geschichtenerzählen und globaler Philosophie. Larry Bonchaka lebt derzeit zwischen Deutschland, Ghana – wo er geboren wurde – und Georgien – wo seine Partnerin Sopo Kashakashvili herkommt. Blaxtarlines — Kumasi , Asafo Black und Commune 6×3 sind internationale kulturelle Gemeinschaften und Kollektive, mit denen er eng zusammenarbeitet.

Das Gespräch führte Felix Hofmann.

Videokommentar von Larry Bonchaka zu seinem Beitrag.

Bei dem Ideenaufruf „Schlossaneignung“ hatten Künstler*innen, Architekt*innen und Gestalter*innen aus 16 Ländern 153 Arbeiten eingereicht.  Die Ergebnisse können hier eingesehen werden.

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https://blogs.taz.de/schlossaneignung/wessen-geschichten-im-oeffentlichen-raum-erinnert-werden/

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