„‚Pocket‘ heißt eine Veröffentlichungsreihe der Bundeszentrale für Bildung, in der nun auch ein Heftchen namens „pocket kultur“ erschienen ist. Der Titel schon stimmt einen skeptisch, klingt er doch, als habe ihn sich eine dieser anglophilen Werbeagenturen ausgedacht, deren kultureller Sachverstand, wie es mitunter scheint, tatsächlich in jedes Täschchen passt.
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Dafür allerdings hat man sie vollgestopft wie eine Weihnachtsgans: ein Kultur-ABC macht den Anfang, 160 Stichwörter von „Agentur“ bis „Zirkus“. Die Antike wird da in sechs Zeilen abgehandelt, die Deutsche Welle bekommt hingegen acht. Das Hörspiel, so wird behauptet, habe nichts mit dem Hörbuch zu tun, und beim Jazz setzen die Autoren Blue Notes mit Improvisation gleich. Hier scheint Ahnungslosigkeit zu regieren. Jeder Eintrag bei Wikipedia ist weniger fehlerhaft.
Auch in der Rubrik „Wissenswertes“, einer Reihe themengebundener Aufsätze, herrscht Konfusion. „Gerade zeitgenössische Kunst“, heißt es da etwa, zeichne sich dadurch aus, dass sie eine Formsprache erfinde, die ihrer Zeit voraus sei und damit zwangsläufig auf Unverständnis stoße.
Bedeutet Zeitgenossenschaft also zugleich Rätselhaftigkeit? Mitnichten. Auch zeitgenössische Kunst schafft es beim Leser, Betrachter oder Zuhörer nicht bloß Kopfschütteln hervorzurufen. Dazu bedarf es keineswegs so klugscheißender wie dummdreister Verständnishilfen von der Sorte, Shakespeares „Romeo und Julia“ sie ja, Zitat, „im Grunde genommen nichts anderes als die traurige Liebesgeschichte zweier Jugendlicher“.
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Überhaupt dieses Vorwort! Ein solcher Fall von Formulierungsschwäche, ja Formulierungsunfähigkeit kommt einem selten unter. Doch schlimmer noch als die Vorstellung, um „Kulturkenner“ zu sein, müsse man die „deutsche Kulturlandschaft beackern“, ist die Gleichgültigkeit, die hinter solchen unsinnigen Formulierungen steckt: Reiht man nur genügend Wortblasen hintereinander, wird es schon irgendwie nach Kultur aussehen. Doch was kann man von einer Werbebroschüre anderes erwarten? Wenigstens eines: Dass sie nicht aus Steuergeldern finanziert wird.“
(Tobias Lehmkuhl in der Süddeutschen Zeitung)
Inhaltsverzeichnis:
* Die ersten 100 Folgen Schmähkritik