„Die Vorgruppe trägt den unschönen Namen „Fräulein Wunder“ und klingt auch so – als hätten sich Neue Deutsche Welle, Alternative Rock, der Deutschpop dieses Jahrzehnts und andere Schreckensstile zum gemeinsamen Breitlatschen ausgetretener Pfade verabredet. Die vier Musikerinnen aus dem hessischen Nidda wurden 2007 entdeckt und erinnern mit ihrer gebraucht abgestaubten Designer-Wildheit an jene spätpubertären Nichten, bei denen man nie weiß, was man ihnen zum Geburtstag schenken soll: ein Puzzle? Einen Gutschein für eine Tätowierung?
Die vier jungen Frauen wirken nicht unsympathisch, aber es tut weh, diese konfektionierte Musik zu hören und geliehene Posen zu sehen. Vielleicht hat der Produzent und Mitkomponist Uwe Fahrenkrog-Petersen (ehemals Keyboarder bei Nena und Juror bei „Popstars“) der Band zu gut erklärt, wie man sich in diesem Geschäft zu verhalten hat; vielleicht hat er gar zu „Authentizität“ geraten. Das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit sind bedrückend banaler Beamtenpunkrock mit Wildheit vorgaukelnder Attitüde und Songs, die auch einmal „Panzerboy“ heißen dürfen.
(…)
Um Viertel nach neun geht das Licht für den Auftritt der Hauptband aus, Trockeneisschwaden wehen über die in dunkles Blau getunkte Bühne, und die an Fantasy-Soundtracks gemahnende Aufmarschmusik von „The Rasmus“ ertönt. Der Unterschied zwischen Hauptband und Vorgruppe ist vor allem der zwischen selbstverzapftem und fremdausgedachtem Unfug. Deshalb wirken „The Rasmus“ auch in jedem Moment schlüssig. (…) Ihre Musik darf als Dark-Rock bezeichnet werden, ein Amalgam aus Gothic Pop und dem Alternative Rock der Jahrtausendwende. Die Band bevorzugt die Bezeichnung „Death Pop“. Es ist jedenfalls eine Musik, die sich vortrefflich für „Romantic Rock“-Zusammenstellungen eignet, mit denen Tätowierstudios und ländliche Billardkneipen beschallt werden und auf deren Cover Einhörner durch Nebelschwaden traben. (…) Manchmal gemahnen „The Rasmus“ irritierend stark an Achtziger-Jahre-Dauerwellen-Rock und Pop-Metal, wie ihn „Europe“ oder „Foreigner“ zu verantworten hatten – nur mit dem Unterschied, dass „The Rasmus“ den alten Sarg mit der Aufschrift „Kitschrock“ noch durch den Schlamm etlicher finnischer Festivals geschleift haben. Den Begeisterten im Saal dürften derlei Referenzen egal sein, und auch die mitunter eigentümliche Bildhaftigkeit der Texte steht dem Enthusiasmus nicht im Weg. Im Song „Justify“ singt Ylönen beispielsweise die herrliche Bon-Jovi-im-Vollrausch-Zeile „The last goodbye burns in my mind“. Trotzdem: Bei aller rührenden Komik, die The Rasmus manchmal ausstrahlen mögen: Immerhin sind sie keine Panzerboys.“
(Eric Pfeil, mal wieder, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung)
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* Die ersten 150 Folgen Schmähkritik