Die Süddeutsche Zeitung über den Debütroman der ehemaligen Viva-Moderatorin Sarah Kuttner:
„Vor anderthalb Jahrhunderten dichtete Gottfried Keller: „Sei mir gegrüßt, Melancholie/Die mit dem leisen Feenschritt/Im Garten meiner Phantasie/Zur rechten Zeit ans Herz mir tritt!“ Vor fünfzig Jahren lautete ein angesagter Romantitel immerhin noch „Bonjour tristesse“. Heute beginnt ein Buch, das umstandslos die Bestsellerlisten stürmt, mit dem Satz: „Eine Depression ist ein fucking Event!“
Der so spricht, ist ein Psychiater, und das lässt kurzzeitig hoffen, es möge sich beim Folgenden um eine Satire handeln. Aber in Sarah Kuttners Welt, das wird rasch offenbar, reden alle so, und zwar ununterbrochen. Wer den Code und das dazugehörige Milieu nicht kennt – das ist nicht unbedingt eine Altersfrage -, stolpert nicht bloß über staunenswert niedrige Peinlichkeitsschwellen, sondern verpasst auch die liebevoll ausgedachten Pointen, von denen die Erzählung lebt.
Man muss also wissen, was ein „Niels-Ruf-Grinsen“ ist, was eine „Fresse Galore“ bedeutet und was sich hinter einer „Emo-Maschine“ verbirgt, um den Text goutieren zu können. Und man sollte bereit sein, all seine Coolness zusammenzuraffen, wenn die mit Anglizismen gemästete Sprache ihren Enddarm nach außen stülpt: „You can get it if you really want. Ich wante vermutlich nicht really genug. Auf der anderen Seite wante ich zumindest genug, um ordentlich unzufrieden zu sein, es nicht zu getten.“
Wer danach immer noch weiterlesen mag, hat es mit einem Zwitter aus Fallgeschichte, Ratgeber und aufgekratzter Mädchen-Unterhaltung zu tun. Karo, siebenundzwanzig Jahre alt, Ich-Erzählerin in des Wortes penetrantester Bedeutung, hat ihren Job als Eventmanagerin verloren und ist von ihrem Freund Philipp, der ihr eigentlich schon seit geraumer Zeit auf die Nerven ging, verlassen worden.
(…)
Das alles hätte zur Not einen Romanstoff ergeben, im Sinne jenes unvergesslichen Beton-Werbeslogans: Es kommt darauf an, was man daraus macht. (…) Das spätpubertäre Liebesgeplänkel und Szenegeschwätz, das man mit dem Genre der weiland Neuen Frauenliteratur schon gnädig versenkt wähnte, lebt hier in extrem juveniler Variante wieder auf und ist nun eingebettet in einen psychotherapeutischen Kontext. Mit ermüdender und romanwidriger Ausführlichkeit werden Therapiesitzungen sowie eine CD mit Anweisungen für das Autogene Training protokolliert. (…) Im übrigen lautet die Diagnose für Kuttners Heldin: chronische Infantilität, Egomanie und popkultureller Plapperzwang.“
(Kristina Maidt-Zinke in der Süddeutschen Zeitung)
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* 150 Folgen Schmähkritik