vonsaveourseeds 26.02.2009

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Wieviel Doppelzüngigkeit und Taktiererei ist eigentlich erlaubt in Deutschland? Ilse Aigner (CSU) verspricht dem heIlse Aigner spricht in Andechs zur Gentechnikimischen Wahlvolk, den Gentechnikmais Mon 810 zu verbieten (klicken Sie auf ihr Bild für den gewundenen Originalton). „Wir wollen keine Gentechnik in Bayern“, dröhnt ihr Parteichef Seehofer zum Aschermittwoch in Passau. Sigmar Gabriel pflichtet Aigner bei: Auch er will keinen Mon 810. Doch wenn am Montag in Brüssel eben solche Verbote von Mon 810 in Österreich und Ungarn auf der Tagesordnung stehen, will er sich lieber der Stimme enthalten und damit der EU-Kommission ermöglichen, die Nachbarn zum Anbau von Mon 810 zu zwingen. Wem das über die Hutschnur geht, der kann den Ministern hier die Meinung sagen.

Was Ilse Aigner für Deutschland bisher nur ankündigt, haben Ungarn, Österreich, Frankreich und Griechenland bereits vor Jahren getan: Sie untersagen den Anbau der einzigen Gentechniksorte, die in Europa zugelassen ist, in ihren Ländern. Dahinter stehen ernsthafte Sicherheitsbedenken, aber auch die Überlegung, dass – wie auch hierzulande – der Gentechnikanbau für die Bauern mehr Probleme bringt als Vorteile.

„So nicht!“ sagt da die EU-Kommission: Was in Europa zugelassen ist, das muß auch in allen Mitgliedsstaaten erlaubt werden. Die Sicherheitsbedenken der Länder hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA, als nicht stichhaltig abgetan. Kein Wunder: Das Expertengremium der EFSA, das bisher noch kein einziges Mal Sicherheitsbedenken gegen ein Gentechnik-Konstrukt geltend gemacht hat, ist fast ausschließlich mit Gentechnikern besetzt, von denen einige sich als wahre Missionare der neuen Technologie betätigen.

Weil innerhalb der EU Kommission die Gentechnik-Freunde gegen den eher kritisch eingestellten Umweltkommissar Dimas kürzlich intern die Oberhand gewonnen haben, soll jetzt nach dem Willen von Präsident Barroso und seiner umtriebigen Spezialistin für Gentechnik, Catherine Day, endlich Schluss sein mit dem Widerstand gegen die neue Saat von Monsanto und Syngenta. Die New York Times berichtet bereits von einen neuen Anlauf und der Hoffnung der Industrie, endlich Europa’s Gentechnikfeindlichkeit zu überwinden. Ihren Optimismus begründet die Industrie-Lobby damit, dass gestern nicht nur 3 sondern 6 der 27 EU-Staaten für die Zulassung zweier neuer Gentechnikpflanzen stimmten (Deutschland ging bei der Abstimmung sicherheitshalber vor die Tür).

Mehrheiten sehen anders aus, werden aber zur Durchsetzung ihrer Interessen gar nicht benötigt. Wir hatten darüber berichtet: Die demokratischen Gepflogenheiten in Europa sind in Bezug auf die Zulassung und das Verbot von Gentechnik-Pflanzen etwas eigen: Nur mit zwei Dritteln der Stimmen aller Mitgliedsstaaten kann hier ein Vorschlag der EU-Kommission gestoppt werden. Weil Enthaltungen so wie Ja-Stimmen zählen, werden die Zulassungen regelmäßig gegen klare Mehrheiten der Mitgliedsstaaten erteilt.

Was die nationalen Verbote, die am Montag auf der Tagesordnung stehen betrifft, so wurde deren zwangsweise Ausserkraftsetzung bereits zweimal vom Ministerrat mit dieser Zweidrittelmehrheit abgelehnt. Aber die Kommission probiert es eben mal wieder. Und tatsächlich: Wenn Deutschland diesmal seine Meinung ändert und statt, wie bisher gegen den Vorschlag zu stimmen, sich enthält, dann hätten es Barroso und Monsanto doch noch geschafft.

Freilich werden auch dann Ungarns und Österreichs Bauern von den EU-Kommissaren nicht gleich mit vorgehaltener Waffe zum Anbau des Monsanto-Maises gezwungen. Aber ein paar käufliche Bauern wird die Firma dann wohl auch in diesen Ländern finden und die Gentechnik-Industrie wird, nicht zuletzt in den Entwicklungsländern, stolz verkünden, dass ihre Produkte nun auch in Europa endlich akzeptiert seien. Deutschland, wo in diesem Jahr möglicherweise 3000 Hektar Gentechnikmais angebaut werden, firmiert in ihren Statistiken schon als eines der Länder, die weltweit „unter 50.000 Ha“ anbauen.

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