vonSchröder & Kalender 11.07.2006

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in nördlicher Richtung.

Weiter ging es durch das Tal von Ammeln, vorbei an Palmen-, Mandel- und Olivenhainen. Über den Kasbahs ragen rosa oder orange schillernde Granitwände tausend Meter in die Höhe, über anderen drohen mächtige Steineier, die so auf ihrem Felsnadelsockel zu liegen scheinen, als müßten sie beim kleinsten Windstoß herunterrollen. Im ›Guide bleu‹ steht, daß sie das nie tun. Wir haben aber in den Feldern und Palmengärten durchaus den einen oder anderen übergrünten Felsbrocken liegen sehen – Inschallah! Oder wenn du es anders willst: Die Natur gewinnt immer.

Am späten Vormittag erreichten wir Tafraout. Es war Markttag, auf einem Sandplatz wurden Kamele, Ziegen, Esel, Hühner und Maultiere gehandelt, es herrschte reges Treiben. Auch schräg gegenüber im Gasthaus war drangvolle Enge, aber der Wirt besorgte uns ein Tischchen draußen unter der Jasminlaube und servierte uns in spitzkegeligen Toubihkas aus Ton eine köstliche Lamm-Tajina in einer Sauce aus Pfeffer, Essig und Rosinen. Danach brachte er Kab El Ghzal, ›Gazellenhörnchen‹ aus Mandeln, Zucker, Butter und Orangenblüten. Die sind so gut, daß du nicht mehr aufhören möchtest, sie zu essen. Dazu tranken wir den obligatorischen Thé à la menthe, ruhten uns ein Stündchen oder zwei in der Laube aus und beglotzten träge das Marktgeschehen und die abziehenden Menschen mit ihren Tieren. Es war wie im Paradies, keine bettelnden Kinder, keine aufdringlichen Händler störten uns. In dem etwas höher gelegenen Souk schlossen die Handwerker ihre Werkstattzellen vor der Mittagshitze, und die hübschen Berbermädchen in ihren schwarzen Dschellabas mit den goldenen und silbernen Schmuckgehängen kokettierten im Vorbeigehen mit uns. »Endlich mal keine verschleierten Frauen«, seufzte Barbara zufrieden, »hier sollten wir einen Tag bleiben.« So wurde es beschlossen, denn auf der Anhöhe über der Stadt lag einladend das Hotel ›Les Amandiers‹, das im ›Guide bleu‹ vier Sterne hat, was ›très bon hôtel‹ bedeutet.

Wir fuhren die Serpentinen hoch, auf dem Plateau vor dem Hotel lag eine bizarre Felsformation, von dort hatten wir eine schöne Aussicht über das Dorf und das Tal. Natürlich hatte ich, bevor wir eincheckten, den Rezeptionisten ausdrücklich gefragt, ob das Hotel nachts geheizt sei. Und er hatte entrüstet geantwortet: »Aber mein Herr, selbstverständlich!« Davon merkten wir nichts, als wir uns abends im Speisesaal niederließen, wir froren jämmerlich trotz Pullover. »Mir reicht’s!« meinte Barbara, »schließlich sind wir in Marokko, wir holen uns jetzt die Tagesdecken aus unserem Zimmer.« Gesagt, getan, wir hängten uns die grobgewebten schweren Dinger über, sie schleiften über den Boden und sahen nicht viel anders aus als die gestreiften Handiras der Berber. Die Kellner im Speisesaal machten Stielaugen. Eine kleine Schar von Touristen, die inzwischen eingetroffen war, saß mit klappernden Zähnen an den Tischen und stocherte mit bläulichen Fingern auf ihren Tellern herum. Sie waren baff und neidisch, trauten sich aber nicht, sich ebenso zu kostümieren wie wir.

Die Nacht in dem ungeheizten Berghotel war dann noch viel kälter als in Agadir, obwohl wir sämtliche Klamotten übereinander angezogen hatten. Entsprechend früh wachten wir am nächsten Morgen auf. Kein Personal zu sehen, weder in der Rezeption noch im Frühstückssaal, dort saßen nur ein paar bibbernde Gäste. Also suchten wir nach einem Kellner in der Halle. Eigentlich konnte man sie nicht übersehen in ihrer Uniform: weiße Pluderhose, rote Jacke mit Goldknöpfen und roter Fez auf dem Kopf. Das Hotel war prächtig dekoriert mit Fliesen, Mosaiken, Teppichen, polierten Messingtischchen auf geschnitzten Beinen, eben mit bombastischem Marokko-Kitsch. Plötzlich sah ich und traute meinen Augen kaum, wie hinter einer dieser dicken Säulen, die in der Halle standen, ein dunkles Gesicht hervorlugte und ssssst wieder verschwandt. Hatte sich etwa die gesamte Brigade versteckt? Und das waren nicht wenige, da kamen auf einen der zwölf Touristen drei Leute im Service. Wirklich, jetzt schlenzte der Hotelpikkolo durch die Drehtür, er trug einen großen Plastiksack mit Pain, und wie auf der Bühne bei einem orientalischen Singspiel traten, als wäre das ganz selbstverständlich, hinter den Säulen und aus den Ecken die Kellner hervor. Sie hatten sich versteckt, um nicht sagen zu müssen: »Tut uns leid, Monsieurdame, aber es ist noch kein Baguette im Haus.«

(BK / JS)

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