vonSchröder & Kalender 12.09.2006

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in nördlicher Richtung.

Am Samstag besuchten uns Heike und Peter Oeltze von Lobenthal, alte Freunde, die wir seit unserer Vogelsbergzeit kennen, also jetzt 26 Jahre. Sie brachten aus ihrem Garten in Caputh Blumen, Himbeeren, Erdbeeren, Tomaten und einen Kürbis mit. Wir tranken einen Absinth, Povl erzählte von seiner Moskau-Reise. Er war fasziniert von der Stadt und schockiert von den dortigen Preisen. Kurz vor acht fuhren wir ins Gnadenbrot. Wolfgang Müller (Die tödliche Doris) sprach und speiste mit Stefán Júlíusson, einem Hochseefischer aus Island.

Wir gehen gern zu Müllers Tischgesprächen ins Gnadenbrot. Das ist immer amüsant und das Essen gut, aber nicht teuer. Der andere Stefan, der Koch, bereitet regionale Spezialitäten zu, passend zur Herkunft des Interviewpartners, dieses Mal eben isländische Gerichte. Wir nahmen Kürbisgnocci mit Steinpilzen, Heilbutt und geräuchertes, isländisches Lamm. Auf den Tischen standen Schalen mit getrockneten Algen, die die Isländer knabbern, sowie Trockenfisch, den man mit etwas Butter ißt. Wolfgang Müller sprach mit Stefán Júlíusson über dessen Arbeit als Hochseefischer im Atlantik, dazu wurden Fotos an die Wand projiziert. Müller mußte dem Fisherman jedes Wort aus der Nase ziehen.

Jetzt kam der taz-Hilfshausmeister Helmut Höge herein, neuerdings auch Islandfahrer, und als Bremer Fischkopp schon immer an der Fischerei interessiert. Er setzte sich zu uns an den Tisch und bestellte als erstes eine Nachspeise. Er ist der Alte geblieben! Nach seinen Besuchen bei uns im Vogelsberg war immer der Würfelzucker aus, so sehr süßte er den Tee. Dann holte er Kugelschreiber und Brille heraus, auf dem Tisch lagen auch Heikes und Jörgs Brille. »Wir müssen aufpassen, daß wir die Brillen nicht vertauschen«, meinte Helmut ernsthaft, »das wäre schrecklich! Dann könnten wir alle nicht mehr lesen.« Er war Anfang der Achtziger im Vogelsberg mit Heike zusammen gewesen, sie hatten sich ewig nicht gesehen. Nun redeten die beiden den ganzen Abend über alte Zeiten und ließen die isländischen Fischer Fischer sein. Alina, Helmuts neue Freundin, kam später dazu. Gegen eins verließen wir angeheitert das Lokal. Es war wie immer, wenn Elfen-Müller einlädt, ein schöner Abend.

Zu Hause tranken wir noch einen Absinth und bewunderten im Mac die Fotos, die wir während des Abends gemacht hatten. Von den 40 Bildern waren 30 gut, sechs sogar außergewöhnlich schön – regelrechte Starfotos! Am nächsten Morgen wachte ich auf, da fiel mir siedend heiß ein, daß ich die Fotos nicht im PC gespeichert, aber in der Kamera schon gelöscht hatte. Alle Fotos verloren! Es war wohl doch ein Glas Absinth zu viel.

(BK)

Heute abend: Dienstag, den 12. September, 19.00 Uhr
Gehörlosenzentrum, Friedrichstraße 12, 10969 Berlin

Edition Kröthenhayn präsentiert: Ein Abend mit Wolfgang Müller. Vorstellung der DVD. Deaf Music. Die Tödliche Doris in gebärdensprachlicher Gestaltung. Gebärdensprachdolmetscher: Gunnar Lehmann & Jana Steinkraus

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https://blogs.taz.de/schroederkalender/2006/09/12/islandische-elfenfotos/

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kommentare

  • F-G-F+ (die Islandformel)

    Ein gutes Beispiel für Wirtschaft als das Leben selbst bietet die isländische Hochseefischerei. Das dachte sich anscheinend auch der Islandforscher Wolfgang Müller, der regelmäßig in der Schöneberger „Raststätte Gnadenbrot“ öffentliche Gespräche führt – und sich zuletzt mit dem isländischen Hochseefischer Stefan Juliusson unterhielt. Dieser ist in seiner fangfreien Zeit gleichzeitig noch Versicherungsvertreter in Berlin. Juliusson zeigte Dias vom Leben und Arbeiten auf den Trawlern – die alle heil und gesund in ihren Heimathafen zurückkehrten, nur einen estländischen erwischte es: seine Maschine geriet in Brand und er sank. Diese Dia-Sequenz sahen wir mehrmals. Juliusson hatte daneben noch eine Art Deputat von seiner letzten Fangtour mitgebracht, der sich nun auf der „Gnadenbrot-Speisekarte“ wiederfand: Scholle, Heilbutt, Dörrfisch und getrockneten Seetang – „Keine Mindestabnahme, Trennkost möglich“.

    Island begann schon während des Zweiten Weltkriegs, als es erst von Engländern und dann von Amerikanern besetzt war (und die Fischerboote deswegen als Feinde von Deutschen angegriffen wurden), seine Fangflotte zu modernisieren. Dazu dehnte es langsam seine Schutzzone von 3 auf 200 Meilen rings um die Insel aus, was schließlich auf eine Wirtschaftszone von 758.000 Quadratkilometern hinauslief. Dabei kam es – insbesondere mit den Engländern – zu zwei „Kabeljau-Kriegen“, ein dritter bahnt sich seit einiger Zeit bereits mit Norwegen – bei Spitzbergen – an. Die isländischen Fischbestände erholten sich trotz der ausgeweiteten Schutzzone nur langsam, so daß weitere Schutzmaßnahmen eingeführt wurden: 1984 ein Quotensystem, nach dem jedem Schiff für die einzelnen Fischarten eine bestimmte Fangmenge zugeteilt wird. Die Quoten können getauscht und verkauft werden. Unter den Schiffseignern mendelten sich dabei bereits einige „Quoten-Barone“ heraus, die heute in Saus und Braus, z.B. in Spanien, leben – und so das auf Gleichheit abzielende isländische Sozialgefüge durcheinanderbringen. Neuerdings leidet insbesondere die isländische Fischverarbeitungsindustrie zunehmend darunter, daß immer mehr Trawler ihre Fänge selbst verarbeiten und dann direkt in Bremerhaven anlanden, wo sie doppelt so viel dafür bekommen wie in Island. Inzwischen stammen schon fast 80% aller in Bremerhaven gelöschten und verauktionierten Fische von isländischen Trawlern. Der deutsche Großhandel hat mit den isländischen Reedereien regelrechte „Fahrpläne“ ausgearbeitet, um eine größere „Versorgungssicherheit“ zu erreichen. Die isländische Fischindustrie verarbeitet rund 1.500.000 Tonnen Fisch jährlich. Seit 1991 können isländische Fischereiprodukte zollfrei in die Europäische Union eingeführt werden. Wegen seiner Fischereipolitik will Island jedoch nicht der EU beitreten, obwohl es Beitragszahler ist, weil es die Kontrolle über seine nationale Hauptressource Fisch, um die das Land so lange gekämpft hat, nicht in die Hände der Gemeinschaft abgeben will. Der Reichtum seiner Meere spiegelt sich auch auf seinen Geldmünzen: Kabeljau, Plattfische, Schellfisch, Krabben…Auf Island gibt es so gut wie keine Arbeitslosigkeit. Umgekehrt ist in Deutschland Bremerhaven die Stadt mit den meisten Arbeitlosen. Dort war bis 1983 „die größte deutsche Fischereiflotte“ stationiert. Sie befand sich zuletzt im Besitz der Firmen Nordstern (Frosta), Dr.Oetker und Nordsee. Letztere gehörte früher dem US-Konzern Unilever, dann geriet sie in den Besitz der US-Assett-Dealers Apax Partners München, der sie filettierte, zuletzt wurde 2005 die „maritime Restaurantkette“ an den ehemaligen Bäckereibesitzer Kamps und die japanische Bank Nomura verkauft. Das Fischfang-, – verarbeitungs- und -verkaufsunternehmen „Nordsee“ legte allein 70 Schiffe still und entließ 5.000 Mitarbeiter. Die Reste der Flotte – acht Schiffe, die den drei Firmen zuletzt noch gehörten – kauften schließlich die Isländer. Sie erwarben nach der Wende auch noch das, was nach einem für die Treuhandanstalt erstellten „Versenkungsgutachten“ der Roland-Berger Unternehmensberatung von der DDR-Fischfangflotte übrigblieb. In Bremerhaven hingen an der Hochseefischerei außerdem noch zwei Werften sowie etliche Schiffsausrüster und Netzmachereien, die ebenfalls pleite gingen. Einige ehemalige Hochseefischer haben in Bremerhaven ihre einstigen Erlebnisse „vor den Küsten Islands“ veröffentlicht, der Matrose Jens Rösemann schrieb: „Aber so ist das in der Natur, einer frißt den anderen. Und wir lebten nun davon, dass wir Fische fingen. Später sah jeder von uns nicht mehr den einzelnen Kabeljau, der da an Deck lag. Es war Geld! Davon lebten wir und unsere jungen Familien daheim“.

    P.S.: Auch die deutschen Seehundjäger hat es erwischt: Sie sind jetzt Seehundschützer im Nationalpark Wattenmeer.
    Gruß
    H.H.

  • „…konnte ich mit einem (etwas langsamen) Gratisprogramm wiederherstellen: PC Inspector Smart Recovery.“

    Schön zu wissen – allerdings glaube ich mich zu erinnern, daß Barbara und Jörg nur auf Mac arbeiten…

  • Gelöschte Fotos auf Kamerakarten konnte ich mit einem (etwas langsamen) Gratisprogramm wiederherstellen: PC Inspector Smart Recovery von Wichtig ist, inzwischen nix dazuspeichern.

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