vonSchröder & Kalender 15.10.2006

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in westlicher Richtung.

Natürlich sind wir voreingenommen, weil Oliver Maria Schmitt unser Freund ist. Aber auch wenn er es nicht wäre, würden wir behaupten, der Ex-Chefredakteur des Satiremagazins Titanic ist der beste Performer aus dem Stall. Gestern Abend hat er das mit der Lesung aus seinem neuen Buch ›AnarchoShnitzel schrieen sie. Ein Punkroman für die besseren Kreise‹ wieder einmal bewiesen. Er rockte den Roten Salon der Volksbühne gemeinsam mit dem One-Man-Roboter Henning Sedlmeir. Dessen schmutziger Punkrock paßte zur Olivers Romantext wie der Faust aufs Gretchen. »Die Mischung aus übermäßig lautem Drumcomputer, Lemmy-singt-deutsch-Momenten und den richtigen Gitarrenriffs ist so richtig, daß einige meiner feingeistigeren Freunde das Ergebnis völlig unerträglich finden. So muß das sein!« schreibt Spex ganz richtig. Und zum Schluß ließen Autor und Punkrocker gemeinsam die Sau raus: Oliver Schmitt sang das Sehnsuchtslied von der geheimnisvollen, unerreichbaren Geliebten, der Punksängerin Itty Lunatic, eine Hauptfigur seines Romans. Der Song ist sehr komisch, weil er auch sehr traurig ist. Wir können dem künftigen Publikum nur wünschen, daß die beiden auf der anstehenden ›AnarchoShnitzel‹-Lesereise weiterhin gemeinsam auftreten.

Hinterher saßen wir zusammen im Restaurant Kürbis gegenüber der Volksbühne. Mit am Tisch die Berliner Rowohlt-Crew sowie Claudia Schmitt nebst Familie, die Musikerin Françoise Cactus von Stereo Total, die Journalistin Harriet Wolff, die Sprachlehrerin Ulrike Schulte Overberg, der notorische Sedlmeir und Benjamin Schiffner, der mit Martin Sonneborn gerade an einer Satireseite für Spiegel-online bastelt.

Anschließend zogen wir weiter und fanden auf der Schönhauser die abgefahrenste Retrospelunke Berlins, sie nennt sich ganz zutreffend ›Yesterday 60, 70, 80‹. Es paßte also alles zusammen, nichts rutschte, alles saß vollendet, auch der sonderbar steinerne Gast an der Theke. Die Kneipe wird nie ganz leer sein, der stumme Gast ist eine Puppe. Auch sehenswert in der Kneipe: die aus zusammengeschweißten Heizungsrohren bestehenden Kerzenleuchter. Um sechs Uhr machten wir uns auf den Heimweg.

Wie der Zufall es wieder einmal wollte, waren wir gestern Nachmittag – vor der Veranstaltung – beim Ordnen der Korrespondenz aus den Jahren 2001 bis 2005 für das Deutsche Literaturarchiv bei den Buchstaben SCH angekommen und bringen deshalb zwei Postkarten von Oliver Maria Schmitt aus Cuba und Qartar.
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»You may say I’m a dreamer, but I’m not the only one.«
Parque de 17 Y 6, monumento a John Lennon.

27.12.2001

Lieber Jörg, liebe Barbara,
auf Kuba überzeugten wir uns von den Errungenschaften des ›Sozialismus‹ (E. Honecker). Jeder Kubaner kann frei wählen zwischen Mojito oder Cuba libre, fast jeder tote Beatle erhielt ein eigenes Denkmal, und fast jede Zigarre ist gefälscht. Und wieder zuhause überraschte mich ein ganz reizendes Päckchen – herzlichen Dank! Ein erquickliches 2002 wünscht der alsbald zur Augsburger Führung vorstellig werdende Oliver

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Gulf Qatar
Doha has been punctuated & beautified by the addition of many traditional cultural icon

28.04.2004

Liebe beide,
im Emirat Qatar verbrachte ich mit Max Goldt vier Tage, um unsere Fertigkeiten bezüglich Araberunterscheidung anhand ihrer Kutten zu trainieren. Allerhand Quasten, Kordeln, Troddeln und Krägen nutzen die Saudis, Qataris, Kuweitis und Omanis hierfür. Wir schlenzten aber auch mit dem Jeep durch die Dünen und gruben ihn hinterher mit Schaufeln wieder aus, trafen Perlenfischer, die im Nebenberuf Fakir waren und besuchten eine Falkenklinik, in der Vögel auf Klumpfuß behandelt wurden. Mit einem herzlichen ›Salam aleikum‹ grüßt Euch Oliver

Ein PS von Max Goldt:
Liebes Paar, im Dezember lese ich wieder in Augsburg. Seid Ihr dann noch dort? Ihr trugt Euch doch mit Umzugsgedanken – viele Grüße vorerst aus Qatar, Max

Wir sind wieder einmal dabei Briefe, Manuskripte, Notizen und Zettelkästen aus den Jahren 2001 bis 2005 für das Deutsche Literaturarchiv zu ordnen. Während wir diese Materialien in die grauen Mappen der Handschriftenabteilung und schließlich in die grünen Kästen betten, greifen wir einige schöne, absurde oder sonst wie interessante Blätter heraus und wollen diese in loser Folge in unser taz-blog stellen.

(OMS / MG / BK / JS)

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