vonSchröder & Kalender 24.10.2006

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in nördlicher Richtung.
Während der Venus-Pornomesse herrschte in der S-Bahn reger Transfer zum Messegelände. Die Puppenkünstlerin Diana Dart berichtete uns vor ein paar Tagen von einem Pärchen in der Ringbahn, welches zu einer Veranstaltung wollte und den Abend besprach. Sie, stolz und für sämtliche Mitfahrer vernehmlich: »Als Aussteller brauchen wir ja nicht in der Schlange zu stehen. Wir können einfach durchgehen.« Darauf er: »Und ob! Und wenn Kameras da sind, halte ich immer mein Gesicht rein. Auch wenn ich mich zum Affen mache, egal! Es ist Werbung.« So viel zu den Strategien der Fachbesucher.

Aber auch das interessierte Publikum war nicht im Übermaß von des Gedankens Blässe angekränkelt. Vorgestern waren wir unterwegs und nebenan saßen sich zwei Pärchen gegenüber, alle so um die fünfundzwanzig, unscheinbare junge Leute, biedere Klamotten. Einer der Herren hatte braune, blank gewienerte Schuhe – mindestens Größe 46. Seine kleine blonde Freundin hatte etwas mäusisch Verhuschtes, aber nett. Die andere Frau war prall, mit schwarz gefärbtem Haar und grauem Chakra. Ihr Freund – ja, wie sah er aus? Wir wissen es nicht mehr! Die schwarze Frau begann in ihrer lila Plastiktüte zu graben. Jetzt sahen wir, jeder der vier Leute hatte so eine Tüte mit der Aufschrift ›das geile lila.com‹. Sie zog eine längliche Kartonage aus der Tüte, ein Vibrator. Den zeigte sie dem blonden Mäuschen und beide begannen sachlich die Vorteile dieses neuen Modells zu diskutieren: »Sieh mal, man kann die Schwingung stufenlos verstellen!« Sie redeten über dieses Masturbationsding wie über ein Küchengerät, einen Pürierstab. Die Männer hörten zu, nickten ernst und wohlwollend, dann fischte der große Typ mit den Quadratlatschen ein Fläschchen mit einer opaken rosa Flüssigkeit aus der Tüte, übersetzte seinem Mäuschen den englischen Text – ein Aphrodisaikum – und meinte: »Bei meinem Gewicht nehme ich mal lieber fünfzehn, statt zehn Tropfen.« Und seine blonde Freundin sah zu ihm auf, ein bißchen verliebt. Donnerwetter, da war ja doch noch nicht alles verloren! Eine romantische Regung? Aber dann kramte auch sie in der Tüte und förderte einen Zwickzwack zu Tage, den sie einschaltete. Er blinkte, offenbar ein Intimschmuck für die Brustwarzen oder die Schamlippen. Warum heißen die eigentlich noch so? Der junge Araber im Diplomatendreß neben uns seufzte leicht und bedeckte dezent seine Augen mit der Hand.

Wir müssen gestehen, das hätten wir am liebsten auch getan. Okay, manche schämen sich nicht mehr. Sollen wir uns darüber freuen? Macht das alles überhaupt noch Spaß, wenn es blinkt wie beim ›Electric Cowboy‹ und kein bißchen Verruchtheit mehr dabei ist?

(BK / JS)

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