vonSchröder & Kalender 15.12.2006

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in nordöstlicher Richtung.
Vorgestern war Endspurt für die Ablieferung der Manuskripte, Fotos und Materialien ins Deutsche Literaturarchiv Marbach. Vor dem Ordnen der Fotos aus dem Privat- und Verlagsleben hatten wir uns fast zwanzig Jahre gedrückt, denn wir ahnten, was uns blühte. Jetzt mußten wir ran! Von fünfzehn- oder zwanzigtausend Fotos wählten wir tausendfünfhundert aus – eine tour de force, die Geduld und Nerven kostete. Das ganze Leben war als Fotostrip an uns vorübergezogen.

Am Nachmittag kamen dann Nora Sdun und Jan-Frederik Bandel aus Hamburg zum Kaffee vorbei.

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Die beiden berichteten über den dritten Band von Kultur & Gespenster, der im Januar 2007 herauskommen wird. Thema ist ›Authentizität‹ – was uns natürlich interessiert als Kämpfer an der Nonfiction-Front (siehe ›Schlafende Hunde‹).

Nora erzählte en passent eine kuriose Darmstadt-Geschichte. An Darmstadt sind wir immer interessiert: Barbara, weil sie jedes Jahr während der Ferien ihre Tante in Darmstadt besuchte; Jörg, weil in Darmstadt die März-Verlags-Chose begann – love and squalor!

Also, Nora erzählte von Gustav Mechlenburg, der Verleger des jungen Textem Verlags, in dem Kultur & Gespenster erscheint. Er ist aus Darmstadt und war in seiner Jugend Ranger und einer der »frühen großen Welterklärer« des Pfadfinders Volker Weidermann. In Mechlenburgs Textem Verlag ist auch Klabunds ›Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde‹ erschienen, die Volker Weidermann zu seiner kurzen Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis heute ›Lichtjahre‹ anregte. Es ist die erste Literaturgeschichte, welche ein Bestseller wurde.

Es gab viel Lob und Gemecker für und gegen Weidermanns Ritt über den Bodensee der deutschen Nachkriegsliteratur. Wir finden das Buch gut, weil ›Schröder erzählt‹ darin vorkommt – immer nach der Devise: Ich bin für dich, wenn du für mich bist.

Aber auch jenseits von Lob und Hudel ist die Sache interessant, denn dies ist jetzt die zweite Geschichte, welche wir kennen, die von einem jungen Mann handelt, dem sich über das Pfadfinderwesen die Welt erklärte. Bernward Vesper, der Autor der ›Reise‹ begann sich unter dem Einfluß eines Pfadfinderkameraden vom braunen Dunstkreis seines Vaters Will Vesper zu entfernen. Es sollte mal jemand den Einfluß der Pfadfinderstämme auf die Literatur der Bundesrepublik untersuchen.

Leider konnten wir mit den Kulturgespenster nicht lange zusammensitzen, weil die restlichen vorgeordneten Fotos noch in Cellophanhüllen gelegt werden mußten. Das dauerte bis zwei Uhr nachts und nach einem Absinth sanken wir in den Tiefschlaf.

Um neun klingelte der freundliche Bruno Bender vom Deutschen Literaturarchiv Marbach und trug 54 grüne Kästen davon. Geschafft!

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(BK / JS)

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https://blogs.taz.de/schroederkalender/2006/12/15/klabund-pfadfinder-und-bernward-vesper/

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kommentare

  • Lieber Gustav, in einer Samenjurte Sartre lesen, das ist eine ausgefallene Idee, um die Euch Bruce Chatwin beneidet hätte. Stefan Zweig hätte sich auch gefreut. Wir lasen gerade wieder seinen Briefwechsel mit Joseph Roth.
    Herzlich grüßen Barbara und Jörg

  • Lieber Jörg, liebe Barbara,

    Das ist natürlich komplizierter. Volker selbst war nie Pfandfinder, sondern Mitarbeiter im Evengelischen Jugendwerk, bei dem ich Pfadfinderführer war. Bündisch unterwegs waren wir dann allerdings tatsächlich gemeinsam in Lappland und lasen Satre und Stefan Zweig…

    Beste Grüße, Gustav

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