Der Bär flattert in östlicher Richtung.
Wir fahren mit der Ringbahn, am Innsbrucker Platz steigt ein junger Mann zu, auf dem Kopf eine graue Baseballkappe aus Wolle, ordentlich gekleidet mit Jeans und wattierter Jacke. Er trägt einen mit vielen rosa Schleifen dekorierten Rosenstrauß in Cellophan gewickelt und läßt sich auf der Sitzband schräg gegenüber fallen. Mit lautem Seufzer schmeißt er das Bukett auf den Sitz neben sich, langt blitzartig in die Brusttasche seiner Jacke und fördert einen Wodka-Flachmann zu Tage. Dabei blickt er uns mit seinen braunen Knopfaugen intensiv an: »Wollt ihr ooch?« Jörg erwidert: »Nein danke, wir trinken erst, wenn es dunkel ist.« Der Mann setzt die Schnapsflasche an, gurgelt die 200 Gramm in einem Zug runter, schüttelt sich kurz, haucht seinen heißen Wodkaodem aus wie ein Waran und beginnt in unverfälschtem Spandau-Russisch zuerst auf Jörg einzureden: »Du siehst jenau aus wie meen Onkel, wie meen Onkel! Ick wollte meener Frau ’n Jeschenk koofen, da sacht die: ›Ick freu mir mehr iber Blumen. Koof mir Blumen.‹ Da ha’ ick die hier für 20 Euro jekooft und for die Kinners 160 Euro ausjejeben.« Er hält eine Saturn-Technikmarkt-Tüte hoch. »Det is doch jerecht, wa?!«
Vielleicht war es ein Fehler, ihm zu antworten, aber Barbara sagte: »Da wird sich Ihre Frau aber freuen.« »Det woll’ wer erst ma kieken! Vorje Woche ha’ ick eenen jefangen, der hatte jut 86 Zentimeter, een Zander!« Dabei zeigte er mit beiden Händen wie groß der Fisch war, das waren eher 140 Zentimeter. Darauf Jörg: »Wo denn?« »Na inne Spree!« »Und wie schwer war der?« fragte Barbara höflich. »Na, 18 Kilo, den ham wa in drei Teile jemacht und mit zehn Mann hoch jejessen.«
Es folgte ein Rap: Welche Köder man am besten nimmt, wo die besten Angelplätze an der Spree zu finden sind … Wir zählten bereits die S-Bahnhöfe. Als wir kurz vor der Haltestelle Hermannstraße aufstanden und uns verabschiedet hatten, fing der Typ plötzlich ohne ersichtlichen Anlaß an, Jörg anzuschreien: »Du lüjst! Du lüjst! Komm ma her, ick hau dir een vor die Fresse!« Der Junkie, der den ›Strassenfeger‹ verkaufte, machte auf dem Absatz kehrt, um der brenzlichen Situation zu entkommen, ging mit seinem Hund lieber wieder den Gang zurück. Wir hatten beide die Hand in der Manteltasche am Pfefferspray-Abzug und reagierten entsprechend gelassen auf den Randalierer – nämlich gar nicht. Auf dem Bahnsteig meinte Barbara seufzend: »Mir tut die arme Frau leid, der haut ihr doch gleich den Blumenstrauß auf den Kopf.«
(BK / JS)