Der Bär flattert in östlicher Richtung.
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Am 17. Januar starb Uwe Nettelbeck im Alter von 67 Jahren. Für ›Die Republik‹ Nr. 55 bis 60 vom Juni 1982 erzählte Jörg Schröder Uwe Nettelbeck ›Cosmic‹, später erschien der Text als gelbe März-Ausgabe.
In als »Wasserwerke« getarnten, aber frei zugänglichen Depots lagerte die US-Army jahrelang MiniNukes. Mit diesen atomaren Sprengköpfen sollte ein Vormarsch der Truppen des Warschauer Pakts begegnet werden. Die atomare Zerstörung und Verseuchung Mitteleuropas war als strategisches Mittel eingeplant. Jörg Schröder veröffentlichte diese Ausgeburt militärischen Irrsinns in Enzensbergers und Salvatores Transatlantik sowie in der taz (November 1980). Die Geschichte, die sich daraus entwickelte, einschließlich der Anfänge der zweiten Friedensbewegung stehen in ›Cosmic‹, eine Kollaboration von Uwe Nettelbeck und Jörg Schröder.
Wir bringen zum Tod von Uwe Nettelbeck eine Passage aus ›Cosmic‹:
Toll ist aber, daß zwei Leute wie Enzensberger und Salvatore sich offenbar eine Weile tatsächlich in dem Wahn befunden haben, man könnte in so einem System nur über die Namen Enzensberger und Salvatore oder meinetwegen auch über Qualität oder Inhalte die Strukturen aufweichen, also Frau Schmidt ändern, Herrn van Nouhuys ändern, die holländischen Großdrucker, die da mit vierzig Prozent mitmischen, oder auch nur, weil er so heißt, den Herrn Gutwillig im fernen Kalifornien, der mit fünf Komma eins dabei ist – da brauchst du doch weiter nichts als das Impressum zu lesen, oben das Veto-Recht und unten den Klartext, um zu wissen, wie hier der Schwanz mit dem Hund wedelt. Es ist der Wahn des Bohemiens, und ich finde es ganz schön komisch, daß Leute, die mit ihrem Durchblick hausieren gehen, sich dauernd über Medien und dies und das unterhalten haben, und nun nicht zu knapp, diese Rumpelstilzchentour versuchen und meinen, sie könnten das Ei drehen. Das ist eine Mischung aus kindlicher Naivität und ungezügelter, völlig ungebremster und unüberlegter Eitelkeit, nichts anderes. Das müßte jedem klar sein, da braucht mir keiner mit der Vorstellung zu kommen, die hätten sich mit einem Augurenlächeln hingesetzt und gesagt, wir schnappen mal zwei Jahre lang der zehn Mille Mark im Monat, und das wäre es dann wieder einmal gewesen. Nein, das kam höchstens dazu. Aber sich einzubilden, daß man mit Stil, ich meine jetzt mit Lebensstil, und irgendeinem Namen, den man hat, solche Strukturen aufweichen könnte, das ist mehr als naiv, das ist schon gefährlich.
Jörg Fauser im tip-Magazin, Berlin
(UN / BK / JS)
[…] Uwe Nettelbeck, das Jahr 1968 und die großen Projekte Manch einer verschwindet, geht verloren, wandert an den Rand und ist dann eines Tages fort. Uwe Nettelbeck gehörte zu diesen Abhandengekommenen. In den späten sechziger und in den siebziger Jahren in der gebildeten Öffentlichkeit fast allgegenwärtig, als Kritiker, Publizist, Herausgeber, Kulturunternehmer, Impresario und in einem Dutzend anderer Funktionen, zog er sich in den achtziger Jahren nach Maransin zurück, in ein Dorf von knapp tausend Einwohnern vierzig Kilometer nordöstlich von Bordeaux. Von dort kam gelegentlich eine neue Ausgabe seiner Zeitschrift Die Republik, zuletzt eine im September 2006, dem philologischen Kommentar gewidmet. Ansonsten herrschte Stille. Jetzt ist er, siebenundsechzig Jahre alt, gestorben. Die Nachrufe fallen klein aus und erscheinen an abgelegener Stelle. Das ist ungewöhnlich für einen Menschen, dessen Ruhm in der Revolte entstand. […]