vonSchröder & Kalender 21.05.2007

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in nordwestlicher Richtung.

Von einer anderen Akquisition muß ich berichten, um zu illustrieren, wie falsch ich Melzer einschätzte: Noch in der Woche, als Joseph mit der Flappe rumlief, stellte ich einen Packer für das gemeinsame Unternehmen ein. Auf meine Anzeige im ›Darmstädter Echo‹ meldete sich eine ganz besondere Type, die bei der US-Army als deutscher Zivilbediensteter gearbeitet hatte. Das waren Figuren in merkwürdigen blauen Uniformen mit weißen Gamaschen und Mützen, die mit Schäferhunden Militäreinrichtungen bewachten. Heiner Heimroth trug enge amerikanische Hochwasserhosen mit weißen Socken, hatte auch die Birne geschoren wie Tom Hanks als ›Forrest Gump‹, war innerhalb von wenigen Jahren vom ›Dammstäddä Hoinä‹ zum amerikanischen Maisbreiarsch mutiert.

Olympa-press.jpg
Der Exwachmann sollte die Olympia-Press-Bücher versenden, für die Auslieferung der Melzer-Produktion blieb weiterhin die Hamburger Kommissionsbuchhandlung zuständig. Darüber machte ich mir keine Illusionen: Lingenbrinck würde jedem Kripofritzen und der Staatsanwaltschaft schulterzuckend das Lager übergeben. Aus diesem Grunde hatte ich schon im Februar der Dame vom Bénédict-Sprachinstitut auch noch ihr Souterrain abgemietet. Sie brauchte es nicht, weil ihre Schule nicht so gut ging wie erwartet. Es war ein großer heller Raum mit umlaufenden Fenstern, darin standen nur ein paar Stühle, sonderbare Dinger mit zu Schreibplatten ausgeformten Armlehnen, nebenan ein kleines Zimmerchen, der zukünftige Arbeitsplatz von Beitlich. In Erwartung der reichlichen Pornobestellungen wurde dort eine neue Telefonzentrale von Siemens mit zwei Amtsleitungen installiert; an der Wand hing ein enervierend klackernder und summender Trumm, ähnliches wird heute auf einem Daumennagel untergebracht. Im großen Raum stellten wir Regale und Packtische von Eisen-Friedrichs auf. Hier sollte Heiner Heimroth, der neue Packer, wirken.

›Hoinä‹ war ein Unikum, wollte unbedingt arbeiten, scharrte mit den Hufen, wartete auf die zu versendenden Bücher. Das heißt, so kam es mir vor, denn er beschäftigte sich selbständig, fuhr mit dem alten VW-Bus, den ich für die Auslieferung angeschafft hatte, in die Stadt, besorgte Türschilder, wie er es bei seiner amerikanischen Dienststelle von der Tür des Master-Sergeants gewöhnt war. Jetzt wußten alle sechs, was sie waren: »Joseph Melzer · Verleger«, »Jörg Schröder · Verlagsleiter«, »Peter Beitlich · Vertriebsleiter«, »Adolf Heinzlmeier · Herstellungsleiter«, »Anne Hansal · Chefsekretärin«, »Heiner Heimroth · Expedient«, ja, auch »Traudel Brand · Lehrling«, da kannte er nichts! Außerdem führte Heiner das Schlüsselbrett ein, worüber wir uns alle totlachten – hinter seinem Rücken, denn wir wollten den guten Mann nicht demotivieren. Seine Schlüsselmeise hat uns ein paar Tage später sehr geholfen, wie ich dem objektiven Zufall bei den sich bald darauf überstürzenden Ereignissen überhaupt vieles verdanke – wenn nicht alles.

Am Montag nach meiner Schloßbesichtigung saß der Verleger immer noch stumm dräuend in seinem Büro. Es war bereits der 17. März, und ich überlegte mir, wie ich ihm auf die Sprünge helfen könnte, denn durch ›Spiegel‹-Anzeige und -Besprechung stapelten sich inzwischen die Bestellcoupons der Direktkunden, und die Buchhändler hängten sich an die Strippe. Je achttausend Exemplare der ersten beiden Titel ›Barbara‹ und ›Die Schüler‹ waren schon vorbestellt, immerhin zweihunderttausend Mark Umsatz, also nach heutigem Geldwert eine halbe Million. Bargeld oder Schecks wie noch vor zwei Jahren bei der ›Geschichte der O‹ kamen kaum, so sammelten sich gerade mal zweitausend Mark auf dem entsprechenden Konto bei der Bank für Gemeinwirtschaft an, zu dem, wie bei einer GbR-Gesellschaft üblich, nur Melzer und ich gemeinsam Zugang hatten.

Fortsetzung folgt

(BK / JS)


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