vonSchröder & Kalender 14.06.2007

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

Mehr über diesen Blog

Der Bär flattert in östlicher Richtung.

Ich klopfte bei Rudolf Kurzhals an, der schaute auf die Uhr und sagte ungeduldig: »Ei, isch wart ja schun uff Sie! Wo bleibe Se dann?! Es is doch halb zwaa, mei Fraa wart seit aanä Stunn middem Esse uff misch! Isch habb e Telefonistin vom Studenteschnelldienst bestellt. Die soll alle oigehnde Aaruffe uffnemme unn notiere. Um halb drai bin isch widdä da. Habbe Se sisch inzwische entschiede?« »Wir brauchen bis morgen oder übermorgen, vielleicht auch noch länger, das ist ja alles sehr schwierig. Zunächst hat der Anwalt uns empfohlen, Ihnen unsere Arbeit anzubieten. Da Sie ja nun Generalbevollmächtigter sind, müssen Sie die Entscheidungen treffen. Wenn Sie irgend etwas wissen möchten, geben wir Ihnen jederzeit gern Auskünfte.« Das hörte er gern. Und schon stand das Mädchen vom Studentenschnelldienst in der Tür, mit stolzgeschwellter Brust ging er mit ihr ins Sekretariat, wies sie in ihre neue Aufgabe ein: »So, Se simmä dafiä väantwortlisch, deß mä hiä kaanä von dene telefoniän dut, wann isch jetz fort bin. Schreibbe Se alle Gespräsche gaanz genau uff! Isch bin dann pinktlisch um halb drai widdä da.« Die neue Unterbevollmächtigte verstand nur Bahnhof, aber weil wir ihr alle aufmunternd zunickten, setzte sie sich schulterzuckend neben das Telefon. Als Kurzhals gegangen war, sagte ich zu ihr: »Wir erklären dir das alles später, hier hast du etwas zu lesen, mach dir einen Lenz.« Ich gab ihr Kerouacs ›Engel, Kif und neue Länder‹, sie klappte das Buch auf, notierte zwischendurch pflichteifrig die Anrufe und vertröstete alle auf halb drei.

Pünktlich nahm Kurzhals wieder seinen Platz im Verlegerbüro ein, jetzt brachen die Nachfragen über ihn herein: Druckereien, Anzeigenabteilungen von Zeitungen, ungeduldige Besteller zuhauf, Buchhändler und Privatleute, die seit achtzehn Tagen auf die Olympia-Press-Pornos warteten. Feixend hörte ich, wie er nebenan mit zunehmender Verzweiflung in den Hörer japste: »Da kann isch Ihne im Moment kaa Auskunft gebbe. Aaah, naaa! Den Herrn Schrödä könne Se im Aacheblick net erreische. So basse Se doch uff, isch waaß es doch aach net! Warte Se en Moment, isch will misch grad emol erkundische …« Dann kam er mit hochrotem Kopf zu mir ins Zimmer: »Da fragt e Druckerei nach der Revision …« oder »Da möscht oinä wisse, wann dann endlisch ›Die Schilä‹ rauskomme.« »Brabrabra«, betete ich ihm die Auskunft runter. Er dackelte wieder zurück, stammelte irgend etwas ins Telefon. Nach einer Dreiviertelstunde war die Luft raus aus dem wichtigen Gummipeter, er verlor die Nerven. »Tja, Herr Kurzhals«, bedauerte ich ihn in gleisnerischer Freundlichkeit, »so wird es vielleicht noch zwei Wochen gehen. Bis der Herr Melzer wiederkommt, werden Sie die ganze Zeit hier sitzen und sich bei uns erkundigen müssen. Ich verstehe ja, Sie haben keine Ahnung, sind eben Steuerbevollmächtigter und Buchhaltungsfachmann, aber wenn wir nicht telefonieren dürfen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als selbst die Auskünfte zu geben. Ich frage mich allerdings, wie Sie das mit der Arbeit in Ihrem Steuerbüro vereinbaren wollen?« Da hatte ich den richtigen Nerv getroffen: »Eijeijeiiijeijeijeijei! Isch habb soo wischtische Tämine! Also isch waaß ja aach net, wie des gehe soll! Ei, was hat der Melzä sisch daa bloß gedacht!« Das Ekel fing tatsächlich an, sich bei mir über Joseph zu beschweren, in dessen Auftrag er mir vor ein paar Stunden fristlos gekündigt hatte.

Wirklich, Bazon Brocks ›Die Revolution des Ja‹ brauchte gar nicht mehr zu erscheinen, denn ich praktizierte sie auch ohne seinen Text. Jetzt hatte ich den Mann da, wo ich ihn haben wollte: »Ich verstehe Sie, Herr Kurzhals, Sie sind in eine dumme Situation geraten, aber eigentlich könnten Sie es sich einfacher machen, übergeben Sie den Telefondienst doch an die Studentin. Die sagt jedem: ›Das Büro ist gegenwärtig nicht besetzt, bitte rufen Sie uns am 20. März wieder an.‹ Bis dahin wissen wir sicher, wie wir uns entschieden haben.« Diese Gelegenheit ergriff er beim Schopfe, vergatterte nochmals die Kerouac-Leserin und verkündete: »Also bis dann, um fimf bin isch widdä da, dann muss isch de Välag abschliesse!«

Fortsetzung folgt

(BK / JS)


Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/schroederkalender/2007/06/14/erste-sezession-15/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert