Der Bär flattert in östlicher Richtung.
Im ›Koffer aus Eselshaut‹ von Annett Gröschner und Peter Jung fanden wir Inge Müllers Nachdichtung der ersten Strophe von Joszef Attilas berühmtes Gedicht ›Reinen Herzens‹: »Vaterlos und mutterlos / Ohne Gott und Erdenschoß / Ohne Krippe Ohne Grab / Ohne Liebe, was ich hab: / Nichts«
Es ist die schönste Version, die wir kennen, in ihrer Härte kommt sie dem Original näher als die anderen Übersetzungsversuche. Ich (BK) googelte dann, um eine Ausgabe mit den Müller-Übersetzungen zu finden und stieß dabei auf den Friedhof Pankow III.
Hier wurde Inge Müller begraben. Sie hatte sich 1966, mit 41 Jahren, das Leben genommen. Als Schriftstellerin stand sie jahrelang im Schatten ihres Mannes, des Dramatikers Heiner Müller – nicht ohne dessen Zutun bzw. Unterlassungen. Erst zwanzig Jahre nach ihrem Tod wurde ihr literarisches Schaffen zugänglich gemacht.
Der Pankower Friedhof liegt an der Hermann-Hesse-Straße in Niederschönhausen. Zu DDR-Zeiten hieß sie Kurt-Fischer-Straße und bis Kriegsende Bismarckstraße. Dort wuchs ich (JS) auf, bis meine Mutter Edith 1948 mit ihrem zweiten Mann, Siegfried Neusch van Deelen, und mir über die grüne Grenze in den Westen ging. Später, als wir in Süddeutschland wohnten, hat Edith oft gesagt: »In Augsburg möchte ich nicht begraben sein.« Und als sie mit 96 Jahren starb, begruben wir sie im heimatlichen Berliner Sand.
Von 1969 bis 1987 war Edith Mitarbeiterin und später kaufmännische Geschäftsführerin des MÄRZ Verlags gewesen. Ohne ihre Mitarbeit, Umsicht und nichtzuletzt die finanziellen Opfer, welche sie für den ökonomisch notorisch maroden Verlag brachte, wären viele Bücher nicht erschienen. Als wir uns also über den Grabstein Gedanken möchten, kam uns die Idee, einen MÄRZ-Gedenkstein zu entwerfen, auf dem Ediths Namen steht, und dem unsere Namen auf Bronzeplatten hinzugefügt werden sollen, wenn wir uns dereinst zur Ruhe begeben.
(BK / JS)