vonSchröder & Kalender 16.10.2007

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in nordöstlicher Richtung.

Soeben ist bei absolut medien eine Neuausgabe der ›März Akte‹ erschienen.

Unser Freund und Subskribent Til Schulz, der bei Irving Fetscher promovierte und im MÄRZ Verlag Willi Münzenbergs ›Propaganda als Waffe‹ herausgab, schrieb uns dazu:

Lieber Jörg,

danke für die ›März Akte‹-DVD, die ich mir zu Gemüt geführt habe. Vieles war mir ja aus ›Schröder erzählt‹ schon bekannt und allerlei kam wieder ins Gedächtnis.

Was mich besonders interessierte, waren die Erzählungen von KD. Wie mir schon aus Gesprächen mit ihm klar wurde, bastelt er gern an seinen eigenen Versionen der Geschichte herum und er glaubt dann an die neue Version, ohne sich an Widersprüchen zu stoßen. In a way machen wir das ja alle, aber bei ihm ist das besonders eklatant. Ihn der bewußten Lüge zu bezichtigen ist aber einfach falsch.

In der Tat war das kommunistische Vokabular der Jahre 1967 bis ca. 1975 eine Art Markerade – wir glaubten, wir libertären Kommunisten seien die besseren, die wahren Kommunisten, wir kannten die Bücher von Susanne Leonhard, Margarete Buber Neumann, Arthur Koestler, Joseph Scholmer und vollzogen deren ursprüngliche Begeisterung – um den Preis der Provokation und der Selbsttäuschung. Mit der DDR und dem ›realen Sozialismus‹ hatten wir nichts am Hut, griffen aber gern auf deren Hilfestellung zurück. Zum Bruch war es ja schon in Sofia gekommen (wo KD von moskauhörigen Weltjugendfestteilnehmern verprügelt wurde, weil er wegen Vietnam demonstrieren wollte). Da hörten auch die Finanzströme der SED und der illegalen KPD für den SDS auf, der auch daran zerbrach.

Beide Seiten versuchten sich gegenseitig zu manipulieren und sich zu täuschen – was für beide Seiten zu einer Enttäuschung führte. In der Tat war die kommunistische Terminologie der studentischen Revolte Maskerade, die nur zu einem geringeren Teil ernst genommen wurde. Vor allem in den K-Gruppen, die sich orthodox an die Lehre hielten, war diese Orthodoxie und ihre gleichzeitige Gesetzestreue ein geradezu absurder Widerspruch. Auch die sexuelle Emanzipation der Studenten vollzog sich ja nicht anders als die der Gesamtgesellschaft. »Treue« und »Eifersucht« spielten dieselbe Rolle.

Das sind so Gedanken, die mir nach dem Abspielen der DVD im Kopf herumgehen.

Sehr herzliche Grüße, auch an Barbara, Til

(TS / BK / JS)

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https://blogs.taz.de/schroederkalender/2007/10/16/die-wahren-kommunisten/

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kommentare

  • KD Wolff durfte sich in der Wochenendausgabe der Frankfurter Rundschau vom 12. Oktober einer Omnipräsenz mittels gleich zweier mit ihm in Verbindung stehender Artikel erfreuen.

    Einer der Beiträge stammte von ihm selbst: Anlässlich einer Austellung zu Ehren des Verlegers Kurt Wolff in Frankfurt schreibt der Namensvetter über einen hochgeachteten Kollegen, dem nach der Flucht vor den Nazis gleich 1933 in den fünfziger Jahren immerhin das Glück zuteil wurde, nicht nur die us-amerikanische Ausgabe der „Blechtrommel“, sondern auch des „Dr. Schiwago“ auf den Markt bringen zu können.
    Und KD zitiert Lindsay Waters: „Die ersten Worte im Verleger-Evangelium nach Kurt Wolff sind eine Variation der ersten Worte des Johannes-Evangeliums:`Am Anfang war das Wort, nicht die Verkaufszahl´“.
    Diese hehren Worte, mögen sie in Gottes oder der Verleger Ohr klingeln – aber am Anfang einer noch so kleinen Auflage steht doch immer auch ein bisschen Investition, und die will halt wieder eingespielt werden.

    Das führt uns zum zweiten Artikel in der besagten FR, welche jeden Samstag in einer Serie unter dem Titel „Mein Schreibtisch“ Menschen portraitiert, an dem Wochenende unter der Überschrift „Der rote Dichterfreund“ den Stroemfeld-Verleger KD Wolff.
    Aufhänger ist aus gegebenem Anlass die Frankfurter Buchmesse. Auf der hat KD seinerzeit als Bundesvorsitzender des SDS mit anderen Genossen „Bücher geklaut in großem Stil“.
    1993 dann besucht Helmut Kohl den Stroemfeld-Messestand, und der „Bundeskanzler, ein glühender Verehrer des Dichters, sprach den unsterblichen Satz:´Hölderlin schlägt alles tot´“. Mit dem Dichter ist also Hölderlin gemeint, dem Stroemfeld eine groß angelegte Edition widmet, und dem ich bislang nur Desinteresse entgegenbringen konnte – solche Totschlagargumente sind natürlich nicht dazu geeignet, dies zu ändern.

    Auf jeden Fall aber lohnt es sich, den nun folgenden kurzen Absatz zu zitieren: „KD schloss ihn sofort ins Herz:´Kohl hat uns verstanden´. Diskret machte der Verleger den Kanzler auf seine Finanzprobleme aufmerksam. Kurze Zeit später ´hat eine Liechtensteiner Stiftung bei uns für 200 000 Mark Bücher gekauft und an die Goethe-Institute verschenkt.´ Heute schreibt KD Kohl ´zu jedem Geburtstag´“.

    Das scheinen ja mehr als zarte Bande zu sein, die dort geknüpft worden sind. Aber… Liechtensteiner Stiftung? Klingelt da was? Ehrenwort, es sollen hier keine Fragen der Verfassungsrteue (eines vereidigten Bundeskanzlers) erörtert werden.
    Ich frage mich nur eins: Hat der ehemalige Kommanditist, Lektor und „Frondeur“ des März-Verlages diesen Coup wirklich nur goutiert? Gegen derartige Umleitungen von Geld kann man ja wenig einwenden. Stimmt schon.
    Trotzdem bleibt ein komisches Gefühl.

    Viele Grüße von
    Rüdiger Grothues (Open Nine Pub)

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