Es ist dunkel, wir sehen also nicht, wie der Bär flattert.
Gestern wurde Wolfgang Müllers Ausstellung ›Neues von der Elfenfront‹ in der Galerie Dörrie und Priess eröffnet und sein Buch mit dem gleichlautenden Titel vorgestellt.
Über hundert animierte und rather beautiful people sowie ein melancholischer Sloughi waren sehr davon angetan, daß seine Exzellenz der Botschafter der Republik Island, Ólafur Davídsson, sowie Thomas Sparr, eloquenter Weltreisender und stellvertretender Verlagsleiter des Suhrkamp Verlags, sowie der Galerist Ulrich Dörrie sich kurz faßten. So konnten sich die Gäste den Gästen zuwenden und dem Buffet – wie bei Vernissagen üblich mit dem Rücken zur Kunst.
Weil wir dieses Spiel kennen, kamen wir eine halbe Stunde früher und konnten die anmutige, klug, gut gehängte und gestellte Ausstellung in den schönen Räumen ansehen. So wie wir dem Publikum empfehlen es demnächst zu tun. Ein Tipp noch: Die sechsseitigen Texte zu den Exponaten hat natürlich Wolfgang selber verfaßt. Sammler mit prekärem Budget sollten sich diese Blätter sichern. Bei Stargardt werden sie im Jahr 2037 vermutlich mit 420 Euro ausgerufen. Einige Proben?
»3. elverkonge – Erlenkönig
Zwei Gläser mit Kaliumpermanganat und Kobalt(II)Chlorid mit Figur und Aufkleber, 1995.
Johann Gottfried Herder übersetzte das dänische Wort »elverkonge« (Elfenkönig) fälschlich in »Erlkönig«. Johann Wolfgang von Goethe übernahm den Fehler und machte daraus sein berühmtes Gedicht ›Erlkönig‹.
4. Freyjas Tränen aus Bitterfeld – auch ›Die Bitterfelder Zwergenkette genannt. Bitterfelder Bernstein auf Faden im Acrylglaskasten, 61 x 61 cm . 1996 – 2002.
Die 4,30 Meter lange Kette wiegt 668 Gramm, besteht aus 22 Millionen Jahre altem Bitterfelder Bernstein und wurde von den Zwergen Alfrigg, Dvalinn, Berlingr und Grerr für die nordische Liebesgöttin Freyja hergestellt.
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11. Tunkbilder
Bilder 1 bis 7. Acryl auf Papier, 2007.
»(…) gerne würde ich die Ausstellung in Wolfsburg zum Anlaß nehmen, eine Idee zu realisieren, die ich 1991 entwickelt, aber seinerzeit nur im Modellversuch und da auch nur ansatzweise durchgeführt habe. Damals hatte ich keine Lust mehr, Bilder zu malen und überlegte mir, ob es nicht andere Ausdrucksformen gibt, die besser zu mir passen könnten. Natürlich kannte ich Jackson Pollocks Werke, die er durch »dripping« erschuf, indem er in bewegten Gesten über große Flächen Farben träufelte. Diese Technik wird in der modernen Kunstgeschichte als »radikaler Bruch mit der traditionellen, akademischen Malweise« bezeichnet. Das nachzumachen wäre natürlich dumm. Etwas Originelles, Neuartiges sollte es schon sein. Ich ging in des Reykjaviker Künstlercafé Mocca, bestellte warme Waffeln mit Kaffee und dachte an die vielen Techniken, die Künstler bisher erfunden hatten und mit denen sie neue Ausdrucksformen schufen: Collage, Decollage, Assemblage, Frottage, Schimmelbilder – alle möglichen künstlerischen Techniken schwirrten mir durch den Kopf. Gedankenvergessen tunkte ich die Waffel in den Kaffee und wollte davon abbeißen. Doch genau, als ich sie direkt vor meinen Mund führte, senkte sich mein Blick und mir fiel auf, daß die hellbraune Waffel dort, wo sie hineingetunkt gewesen, dunkelbraun geworden war. Ich dachte an den dunkelgrauen Strand in Island, der pechschwarz wird, wenn Wasser über ihn schwappt und an das deutsche Gebäck, das mit weißer oder schwarzer Tunke überzogen ist, der sogenannte Amerikaner. Und an die Autos im Wolfsburger Volkswagenwerk, die zur Färbung in Behälter mit verschiedenen Farben getunkt werden.
So fiel mir fast zufällig eine Technik zu, die – soweit ich weiß – in der Kunstgeschichte bisher namenlos ist: Das Tunken, das Dipping. Vielleicht klingt es zu banal oder – weil es oft mit Keksen oder Croissants assoziiert wird, die in Kaffee getaucht werden – zu geziert. Oder das Tunken liegt einfach zu nah an Wörtern wie Unke oder Tunte.
Auf jeden Fall werde ich (…) eine Serie Tunkbilder herstellen. Sie werden die Lücke in meinem Werkverzeichnis schließen, die zwischen Nummer 474 bis 345 besteht. Zum Tunken, dem Dipping benötige ich ein mit flüssiger Farbe, am besten mit Acryllack gefülltes Gefäß und ein paar Pappen oder Leinwände. Farbpigmente habe ich noch reichlich. Die Tunkbilder werde ich an Ort und Stelle mit meinem isländischen Assistenten Hrafnkell herstellen, in einer Ecke hinter dem Videoraum. Wenn noch etwas vom Budget übrig ist, wäre eine kleine extra Einladungskarte nicht schlecht: Tunkbilder / Dipping Art – Tunten Eintritt frei. (Mail von Wolfgang Müller an Justin Hoffmann und Anne Kersten, Kunstverein Wolfsburg, Berlin 08.02.2007)«
Der arme, oder sagen wir besser, glückliche Wolfgang kam am Büchertisch ins Schwitzen, sein neues Buch ging weg wie man sich das als Autor immer wünscht.
Als Vernissage-Bonus ohne Aufpreis gab es eine Prägung der »Walther von Goethe Foundation« in den seriösen roten es-Einband der ›Elfenfront‹. Vielleicht hat auch die Galerie noch ein paar Exemplare von Nr. 13.
13. Pen.is
Kugelschreiber mit Werbeaufdruck in fünf Farben, Auflage: 500, 2007.
Wolfgang Müllers Werk ›Neues von der Elfenfront‹ (Edition Suhrkamp) verspricht auf dem Titel ›Die Wahrheit über Island‹. Tatsächlich aber enthält das Kapitel ›www.pen.is und www.klitor.is eine Unwahrheit:
»Bei englischen Touristen errang daraufhin bald ein Kugelschreiber mit dem Aufdruck ›pen.is‹ große Beliebtheit, der wegen der Kombination von englisch »pen« (Stift) und dem Ländercode »is« (Island) als originelles Souvenir galt.« (S. 19 f.)
Tatsächlich fiel Wolfgang Müller auf ein Gerücht herein, das in Island herumgeisterte. Um das Buch zu retten, bestellte er deshalb 500 Werbekugelschreiber mit dem Aufdruck »www.pen.is«.
Ach so, noch eine kleine Anregung an das Ordenskapitel von Island: Wäre es nicht eine gute Idee dem documenta-Künstler Wolfgang Müller den Falkenorden (Storkrossriddari)
der Republik anzuheften? Er würde daraus sicher ein schönes hintersinniges Kunstwerk schaffen, und nicht nur die Elfen hätten daran ihre Freude.
(WM / BK / JS)
Kann mich da nur anschließen, der Wolfgang Müller ist ein dermaßen netter und witziger Mensch, ich hatte nur mal die Chance, in den 90ern mit ihm in Kreuzberg ein paar freundliche Worte zu wechseln, ich stand nämlich mit dem Blick auf die Kunst und dem Rücken zum Vernissage-Publikum… meine EX sagte auch gleich zu mir: „Das macht man nicht!“
naja, und dann wollte ich auch nicht in einen Fettnapf getunkt werden und habe ihr gehorcht…