vonSchröder & Kalender 14.03.2008

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in nördlicher Richtung.

Die Anwort des Herausgebers Til Schulz auf Peer Schröders Anmerkungen zu ›Propaganda als Waffe‹:

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»Liebe Barbara, lieber Jörg,

vielen Dank für die Weiterleitung des Briefes von Peer Schröder.

Mein Textsystem will zur Zeit nicht so richtig, deswegen Schreibmaschine und Fax, das ich Euch zur Weiterleitung schicke. Ich habe selbst in meiner Einleitung auf die umfangreichen Vorarbeiten von Kurt Kersten hingewiesen, so wie dies auch Babette Gross in ihrer Biographie getan hat.

Die Legende, Münzenberg habe selbst nicht schreiben können, wurde von Koestler und Kersten verbreitet – gegenüber einem Autor, der sich gegen diesen Vorwurf nicht mehr wehren konnte. Mein Onkel Hans Schulz, den ich danach fragte, verneinte dies empört und erzählte mir, das erste Kapitel der ›Dritten Front‹ sei ihm – im Zug von Frankfurt nach Berlin – diktiert worden und zwar persönlich. Ebenso sei er mit den wichtigen Artikeln in der ›Zukunft‹ verfahren.

Es darf nicht vergessen werden, daß Münzenberg als begnadeter Redner galt – im Gegensatz zu Thälmann, der immer mit Sprachtücken und falschen Metaphern zu kämpfen hatte. Ein Redner sollte eigentlich wohl in der Lage sein, logische Gedankengänge abzufassen und in irgendeiner Form zu Papier bringen zu können. Ein »halbgebildeter Dorfjunge« – der Freund Lenins? Dem man zwar allerlei nachsagen kann, aber das er sich mit Derartigem abgegeben haben sollte?

Hans Schulz ging mir gegenüber zwar nicht auf Details der Darstellungen von Kersten und Gross ein, betonte aber wiederholt, sie seien voll von fehlerhaften Urteilen, die er zu berichtigen hoffe. Trotzdem überwog seine Dankbarkeit über die historische Rehabilitierung.

Der »halbgebildete Dorfjunge« hat als Autodidakt von 1910 bis 1920 Dutzende von Artikeln veröffentlicht u. a. in der ›Jugendinternationale‹ u. a. Zeitschriften. Die Mitarbeiter Münzenbergs haben in ihren Erinnerungen immer besonders individuellen Beiträge zum ›Konzern‹ hervorgehoben. Die bestreitet auch niemand. Aber diese zahllosen individuellen Beiträge – im Fall Kersten einer gründlichen Materialsammlung – bedurfte einer zusammenfassenden Interpretation. Diese hat Münzenberg selbst geleistet, der ja auch einer der gründlichsten Kenner der kommunistischen Propaganda war (und deren Meister). Kein anderer verstand sich so sehr auf die Interpretation deren Mechanismen. Daß Kersten sich in seiner New Yorker Emigration als der »eigentliche« Autor von ›Propaganda als Waffe‹ selbst stilisierte, ist in seiner Situation verständlich, ist in dieser Form aber leider nicht zutreffend. (Ein so »großer« Stilist war er auch nicht, wie seine eher unbedeutenden Werke (›Peter der Große‹, Querido 1935) und seine Forster-Biographie ›Der Weltumsegler‹ zeigen.

Kersten Aussagen dienten wohl eher dazu, sich selbst der Vergessenheit zu entreißen.  Begründete Zweifel daran, daß Münzenberg das Buch selbst geschrieben evtl. diktiert hat, bestehen außer den Aussagen von Kersten nicht. Daß er Münzenberg eine umfangreiche Materialsammlang zusammenstellte, die Münzenberg bei der Abfassung des Buches von großen Nutzen war, ist unbestritten. Mehr aber nicht.

Mit vielen Grüßen. Zu weiteren Auskünften gerne bereit.

Til Schulz«

***

Willi Münzenberg, ›Propaganda als Waffe‹, herausgegeben von Til Schulz, erschien 1972 im März Verlag. Zum Thema der Gewalt in der Hitler-Propaganda schrieb Willi Münzenberg:

»Eine große, vielleicht die entscheidende Rolle hat in der Hitlerpropaganda die Gewalt gespielt, die an Bedeutung immer noch gewinnt. Seit ihren Anfängen hat die Hitlerpropaganda die Gewalt eingesetzt und war entschlossen, die ‘Ideen’ der Bewegung mit Gewalt dem Volk aufzuzwingen. Die Gewaltanwendung in der Propaganda wurde mit der Hitlerpropaganda selbst geboren und war nicht nur der wichtigste, sondern vielleicht sogar der einzige Gedanke, der in der Konzeption in aller Klarheit und Schärfe vorhanden war, als man sich entschloß, die ‘Bewegung’ zu schaffen. Gewalt und Hitlerpropaganda sind unzertrennlich miteinander verbunden, und ohne Gewalt ist die Hitlerpropaganda nicht vorstellbar.“ (S. 285)

„Es war ein Novum in der Geschichte der Parteien Deutschlands, daß in einer Versammlung kein Widerspruch, kein Zwischenrufer, keine Diskussionsgelegenheit mehr geduldet wurde, für den Gegner überraschend, der sich wehr- und schutzlos von einer bewaffneten Horde auf ein gegebenes Zeichen plötzlich überfallen sah. Die Hitlerpropaganda machte aus jedem dieser feigen, tückischen Überfälle einen Sieg und wagte es noch, sich selbst als von ‘Verbrechern’ überfallen zu bezeichnen. Die Methode der Gewalt zur Niederknüpplung des politischen Gegners wurde entwickelt und auf die gesamte terroristische Tätigkeit der SA übertragen, bis sie in den grauenvollen Aktionen nach dem Reichstagsbrand, den unzähligen ‘Nächten der langen Messer’, ihren Höhepunkt erreichte.«

(TS / WM / BK / JS)

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