vonSchröder & Kalender 02.12.2008

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Es ist neblig, wir sehen nicht, wie der Bär flattert.
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Freitag, den 5. Dezember 2008, um 20:30 Uhr, NBI Club, (Kulturbrauerei), Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin. satt.org und SuKuLTuR präsentieren: DIE BEGEISTERUNGS-SHOW 9 mit alle 3, Barbara Kalender, Jörg Schröder, Tobias Lehmkuhl, Robert Mießner, Christina Mohr und vielen Gästen. Wir lesen aus ›Schröder erzählt‹.

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Da am Freitag bei der Show unsere literarische und verlegerische Arbeit Zielobjekte der Begeisterug sein sollen – was uns sehr freut! –, brachte uns dies auf die Idee zu erzählen, wie wir uns einmal selbst begeisterten:

Wir redigierten Tag und Nacht, die fertigen Manuskripte gingen zur Vorauskorrektur, dann fuhren wir meist noch nachts zur Setzerei Mitterweger nach Mannheim. Es war ein Glück, daß die Beltzsche Druckerei eine Lohnsetzerei einsetzte, die in drei Schichten, also rund um die Uhr, mit guten Setzern arbeitete. Die Wahl der Setzerei war eigentlich ein Zufall gewesen, sie hatte als einzige im Rhein-Neckar-Raum die Walbaum-Schrift, und  ›März-Texte 1‹, die ja im ersten Teil des ›Mammut‹ nachgedruckt werden sollten, waren in der Walbaum gesetzt. Und ich konnte mich auf einen qualifizierten Korrektor verlassen, unseren Freund Manfred Vogel in Fulda, der noch einen Lehrmeister der alten Leipziger Schule hatte. Ohne die Setzer und den Korrektor hätte ich den Irrentermin vergessen können, so aber wurden täglich fünfzig Seiten fertig, dazu mußten noch Texte übersetzt werden, Helma Schleif übernahm eine schwierige Passage aus Hertha von Dechends ›Hamlets Mühle‹, Marc Adrian einige Patchen-Gedichte, den Warhol-Text diktierte ich Barbara in die Maschine.

Alle Mitarbeiter zogen mit ohne Murren und Zicken, es gab keine Komplikationen, ein Wunder! Du hast doch sonst unendliche Schwierigkeiten mit Übersetzern und Ablieferungsterminen, diesmal hielt jeder seine Zusage, gab sein Bestes, sogar Leute, die sonst saumselig sind, sogar die Beltzsche Druckerei, die noch nie den Fertigstellungstermin eines Buches eingehalten hatte, weil wir als schlechte Zahler das fünfte Rad am Wagen waren, lieferte pünktlich auf die Stunde. Die ›Mammut‹-Produktion lief wie von Geisterhand gesteuert, die Euphorie des Herstellungsprozesses teilte sich allen mit, und schließlich war der zweibändige, adreßbuchdicke Klebeumbruch fertig, die Konvolute sahen aus wie zwei ausgelapperte Familienbibeln von 1602. Komplikationen mit Autoren gab es auch nicht, auch ein Wunder, ich fragte nur: »Ja oder nein.« Und kein Autor — ich fragte ja alle bis auf drei oder vier, deren Adresse ich nicht wußte — verweigerte, jeder wollte ins ›Mammut‹.

Ende Februar war der Klebeumbruch fertig, wir schoben nochmals eine Session ein, Helmut, Povl, Barbara und ich saßen eine ganze Nacht bis morgens um sechs und redeten über den Anmerkungsapparat. Barbara vor dem IBM-Kugelkopf schrieb mit, was wir redeten, daraus redigierte ich den Anmerkungstext. Bei dieser Session, morgens um sechs, entstand auch einer der letzten Beiträge. Höge haßt Gedichte, und damals pflegte er noch den Tick, als Autor seinen Namen nicht zu nennen, er benutzte zahlreiche Pseudonyme, damit die Kritiker den Autor möglichst intensiv suchten. Diese Suche fand aber leider nicht statt, und seitdem nennt er sich als Autor wieder Helmut Höge. Im ›Mammut‹ ist eine Geschichte von ihm abgedruckt, die er unter dem Pseudonym Helke Schwan geschrieben hat: ›The Glühbirnen-Fake‹. Also, der Lyrikhasser nervte uns damals ziemlich mit seinen Vogelsberg-Obsessionen, und um sechs sagte Barbara plötzlich, um ihn zu ärgern: »Jetzt machen wir ein Gedicht, und du, Helmut, wirst der Autor.« Ich kalauerte: »Ich seh den Berg / Vor lauter Vögeln nicht«, und Barbara echote: »Mehr Licht!« Es wurde beschlossen, diesen Dreizeiler unter dem Autorennamen Helmut Höge mit dem Titel ›Vogelsberg‹ am Schluß von ›Mammut‹ zwischen Houbens ›Eckermann‹ und dem Goodman-Essay ›1994‹ zu plazieren. Das nur, damit du weißt, wie wir auch rumgealbert haben. Über das Wurzelwerk der Texte will ich kein Wort verlieren, soll sich jeder doch das Buch besorgen und die abgefahrenen Verknüpfungen finden oder nicht. Jedenfalls gibt es davon zig Hunderte: autobiographische Motive, literarische Anspielungen, Ironisierungen und Ebenen. Ich verkneife mir jetzt wirklich Beispiele, um der Schönheit des Kunstwerkes durch Interpretation keinen Abbruch zu tun.

(BK / JS)

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https://blogs.taz.de/schroederkalender/2008/12/02/wie_wir_uns_einmal_selbst_begeisterten_2/

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