vonSchröder & Kalender 25.04.2009

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in östlicher Richtung.
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»›Lüste und Leichen‹ kann als Krimi und als Porno durchgehen, als Science Fiction oder als Gesellschaftsroman. Literaten können eine verzwickte Parodie herauslesen, schlichtere Leser das Buch einfach als Trivialroman konsumieren, als einen etwas verrückten freilich«, schrieb 1970 der ›Spiegel‹ über Svend Åge Madsen, den bedeutendsten und meistgelesenen dänischen Autor der Gegenwart.

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»Für Madsen besitzt die Sexualität noch den Aspekt der Befreiung aus den gesellschaftlichen Zwängen, für die der Begriff Arbeit steht. Doch der Gegensatz zwischen der im Bild dargestellten Anstrengung und Gunhildes Entspanntheit ist nur scheinbar ein Gegensatz. Wenn es heißt, daß sie „mit einem Stöhnen ihre Aufgabe abschließt”, dann durchbricht die unerkannte Wahrheit der Szene den Schein ihrer parodistisch gemeinten Beschreibung. Vor dem Bild des arbeitenden Paares äußert sich im Stöhnen Gunhildes Pornographie in ihrer wahren gesellschaftlichen Funktion. Die Befreiung der Sexualität, als deren Vehikel sie unter Progressiven gilt, ist bestenfalls eine vorläufige. Wo sie sich darin erschöpft, richtig zu funktionieren, da ist sie bereits einem neuen Zwang verfallen. Nachdem die Ideologie des Orgasmus ihre Herrschaft angetreten hat, sind auf dem Nimbus von Freiheit, mit dem die Pornographie umgeben worden ist, die ersten Flecken sichtbar geworden««, so Helmut Salzinger über ›Lüste und Leichen‹ in der ›Zeit‹.


Svend Åge Madsen, ›Lüste und Leichen‹. Orig.-Titel: ›Liget og Lysten‹. Aus dem Dänischen von Horst Schröder. 180 Seiten, März Verlag 1969 (nur noch antiquarisch erhältlich).
Motiv auf dem Cover: Collage von Uve Schmidt

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Warum ist Gunhilde so lüstern? Ist es wegen ihres Knopfes? Weshalb lacht der Mund der schönen Isabel? Und warum schreit ihr Schoß weit geöffnet über dem Bett? Was beunruhigt die stille Hanne so sehr, daß ihr eine Träne über die Wange rinnt, als sie auf das blaue Meer hinausblickt? Welche Veränderungen sieht der nachdenkliche Chabi entstehen, sich entfalten, sich verändern und gleich werden? Wonach sucht der Detektiv B.R., falls er überhaupt etwas sucht, wenn er nicht gerade dabei ist, in einer Bewegung innezuhalten, um versteckte Leichen ans Tageslicht zu ziehen? Wer wohnt in den einsamen Häusern? Was spielt sich in Karens Garten ab? Wer ist der alte grauhaarige Herr am Melonenstand? Warum blickt Finder in den Himmel und bastelt ein Fernrohr?

Diese Fragen beantwortet Svend Åge Madsen in seinem Roman. Mit ›Lüste und Leichen‹ persifliert er den pointilistischen Stil, macht sich nicht nur über Trivialität lustig, sondern benutzt sie in souveräner Form in einem Text, der originell ist und grotesk zugleich. Er erzählt eine durchgehende Geschichte in vier Stilebenen, wobei eine Stilebene unmerklich zur anderen wechselt: vom Kriminalroman, zum Liebesroman, zum Pornoroman und zum Science-Fiction-Roman.

Noch zwei interessante Websites:
Dänische Akademie

– Wikipedia

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(SAM / BK / JS)

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