vonSchröder & Kalender 18.07.2009

Schröder & Kalender

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Der Bär flattert in östlicher Richtung.
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Gerhard Zwerenz gehört zu den vitalsten Gestalten in der deutschen Literatur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. »Wie bei Norman Mailer und Henry Miller sind es die Tabus, die sein Interesse wecken: politisches Engagement, das Experimentieren mit den Formen des Trivialromans und immer wieder die Sexualität. Schon lange vor den Achtundsechzigern plädierte Zwerenz in seinem Roman ›Casanova‹ für sexuelle Freizügigkeit von gesellschaftlichen Zwängen und Normen.« (Kindlers Neues Literaturlexikon)

In seinem autobiographischen Roman ›Kopf und Bauch‹ berichtet Zwerenz vom Ausbruch aus den Grenzen seiner Herkunft, seiner Lehre als Kupferschmied, den Erfahrungen aus Krieg und Gefangenschaft und der Begegnung mit seinem ›zweiten Vater‹  Ernst Bloch, bei dem er in Leipzig Philosophie studierte. Der Autor schildert seine rebellische Existenz in der DDR wie auch in der Bundesrepublik als Sozialist und Libertin. »Lebendig, echt und wahr wirken die Menschen, die Zwerenz beschreibt, weil er die Umstände unter denen sie leben und leiden und sterben, mit einer Genauigkeit und Intensität schildert, die in der deutschen Gegenwartsliteratur ihresgleichen suchen.« (Tagesanzeiger, Zürich). Zwerenz Engagement für Freiheit und Sozialismus begann, als er 19 Jahre alt war, er desertierte und wurde zum Antimilitaristen. Es liegt deshalb in der Natur der Sache, daß die Zahl seiner Gegner so groß ist wie die seiner Sympathisanten.

Aus der Fülle der Pressestimmen und Urteile über Gerhard Zwerenz:

»Gerhard Zwerenz ist ein Moralist klassischen Stils. Einer, der es im Westen nicht leicht hat, weil er sich dem Klüngel nicht anschließt, der hier das Wetter macht.« Robert Neumann in seiner Autobiographie ›Vielleicht das Heitere‹, 1968.

»Gerhard Zwerenz ist eine der umstrittensten und streitbarsten Figuren auf der deutschsprachigen Literaturszene, und ›Kopf und Bauch‹ ist ein glänzendes und ärgerliches Buch. Zwerenz hat nie aufgehört, die Intellektuellen zu hassen, obgleich er selbst zu ihnen gehört. Schwierig aufzuzählen, was ›Kopf und Bauch‹ alles ist: autobiographisch, politisch, polemisch, pornographisch, erzählend, quälend, umsichtig, kurzsichtig, und sicherlich eines der am wenigsten rezensierbaren Bücher, spannend und bemerkenswert,  ein typischer Zwerenz. Noch nie war er so ausfallend: die ganze Kulturscheiße ist auf 300 Seiten versammelt – und dann rein in die Fresse, jede Seite ein Schlag.« Martin Gregor-Dellin, 1971.

»Verdächtig war Zwerenz mit seinem Widerspruch ohnehin . So viel Bekennermut und Widerspruchsgeist erbitterte die Parteiwächter drüben sogar noch eher als die Scharfmacher hüben.« Alfred Kantorowicz, ›Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt‹, 1975.

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Gerhard Zwerenz, ›Kopf und Bauch. Die Geschichte eines Arbeiters, der unter die Intellektuellen gefallen ist‹. Pappband, 352 Seiten. Neuauflage der Erstausgabe des S. Fischer Verlags (1971) im März Verlag, 2005 (nur noch antiquarisch erhältlich).
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Vita: Gerhard Zwerenz, geboren 1925 in Gablenz / Sachsen; lebt in Schmitten / Taunus. Nach einer Ausbildung als Kupferschmied meldete er sich freiwillig zur Wehrmacht, desertierte und verbrachte vier Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. In den fünfziger Jahren studierte er Philosophie bei Ernst Bloch in Leipzig. Wegen seiner Kritik an der SED drohte ihm die Verhaftung, er ging in die Bundesrepublik. Gerhard Zwerenz ist Autor von über 100 Büchern mit einer Gesamtauflage von drei Millionen Exemplaren, die in neun Sprachen übersetzt wurden. Er schrieb vier Theaterstücke sowie die Bücher zu drei Fernsehfilmen und etwa 250 Rundfunksendungen und er ist an über 70 Anthologien beteiligt. 1974 wurde er mit dem Ernst-Reuter-Preis geehrt, 1986 mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis und 1991 mit dem Alternativen Büchnerpreis. Von 1994 bis 1998 saß Zwerenz als parteiloser Abgeordneter für die PDS im Deutschen Bundestag. Diese Erfahrung verarbeitete er in seinem Bericht ›Krieg im Glashaus‹ (2000).

Zu seinen Veröffentlichungen verschiedener Genres gehören neben ›Casanova oder Der kleine Herr in Krieg und Frieden‹ (1966) und ›Kopf und Bauch. Die Geschichte eines Arbeiters, der unter die Intellektuellen gefallen ist‹ (1971) auch der Roman ›Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond‹ (1973, im März Verlag 1986), nach dem Rainer Werner Fassbinder das mißverständliche ›Müll-Stück‹ schrieb, welches  Zwerenz ablehnte.

Leseempfehlung: ›Gute Witwen weinen nicht / Exil. Lieben. Tod. Die letzten Jahre Kurt Tucholskys‹, Kranichsteiner Literaturverlag, 2003.
Jürgen Reents: ›Gerhard Zwerenz. Weder Kain noch Abel‹. Verlag: Das Neue Berlin, 2008.

Neues von und über Gerhard Zwerenz: Poetenladen, Ingrid und Gerhard Zwerenz schreiben beide regelmäßig für Ossietzky.

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(GZ / BK / JS)

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https://blogs.taz.de/schroederkalender/2009/07/18/kopf_und_bauch/

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kommentare

  • […] In dem autobiographischen Roman ›Kopf und Bauch‹ berichtet Zwerenz vom Ausbruch aus den Grenzen seiner Herkunft, seiner Lehre als Kupferschmied, den Erfahrungen aus Krieg und Gefangenschaft und der Begegnung mit seinem ›zweiten Vater‹  Ernst Bloch, bei dem er zusammen mit seiner Frau Ingrid in Leipzig Philosophie studierte. Der Autor schildert seine rebellische Existenz in der DDR wie auch in der Bundesrepublik als Sozialist und Libertin. Denn für Gerhard Zwerenz gab es keine Freiheit ohne befreite Sexualität. »Lebendig, echt und wahr wirken die Menschen, die Zwerenz beschreibt, weil er die Umstände unter denen sie leben und leiden und sterben müssen, mit einer Genauigkeit und Intensität schildert, die in der deutschen Gegenwartsliteratur ihresgleichen suchen.« (Tagesanzeiger, Zürich). Zwerenz Engagement für Freiheit und Sozialismus begann, als er 19 Jahre alt war, er ging von der Fahne und wurde zum Antimilitaristen. Der Kanonendonner sensibilisierte ihn für alles, was nach Uniform und Großmannssucht roch. Im Unterschied zu vielen Zeitgenossen machte ihn das immun gegen das schleichende Gift der Gewöhnung – und hellsichtiger als andere. Es liegt in der Natur der Sache, dass darum die Zahl seiner Gegner so groß war wie die seiner Sympathisanten. An Gerhard Zwerenz scheiden sich die Geister. […]

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