vonSchröder & Kalender 13.10.2010

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert heute nicht.
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Als wir am Samstag den Bahnhof verließen, zogen tausende Demonstranten die Friedrichstraße entlang. »Für den Erhalt der Fankultur« stand auf ihren Transparenten. Die Parolen, die sie im Staccato brüllten, waren nicht zu verstehen, aber auf den Transparenten und Fahnen konnte man lesen, warum es ging: »Fanfreundliche Anstoßzeiten«, »keine Einschränkungen bei Fanutensilien und Vermummung«. Und vor allem waren sie gegen Stadionverbote für aggressive Fans. Eben alles, was zur »Fankultur« gehört. Und keiner lachte über diese merkwürdige Wortschöpfung!

Denn »Kultur« ist ja inzwischen alles, was Männerphantasien an Scheißdreck hervorgebracht haben. Selbst der Analytiker dieses Phänomens ist in seine selbst gegrabene Grube gefallen, hat sich darin martialisch eingerichtet. Frisch von der Leber weg schreibt Klaus Theweleit »frei von historischen Lähmungen« solche Sätze über den deutschen Kapitän Lahm: »Mit der Gewissheit in den Beinen, den türkischen Ausgleich mitverschuldet zu haben, stürmte er über den Platz und machte das Ding rein. Psychisch der Größte, so gut wie ein Türke.« Gleich darauf sind wir dann beim Blitzkrieg: »Das Tor fiel überfallartig, blitzschnell, nach vorheriger Einschläferung des Gegners … Das derart unerwartete Überleben in einem Turnier erhöht massiv den Grad der Unverletzlichkeit.« Ernst Jüngers ›In Stahlgewittern‹ lässt grüßen.

Wer wollte da beckmesserisch den dumpfen Fußballfans ihre Dumpfheit vorhalten, wenn ehemals linke Soziologen und Kulturtheoretiker ein solch giftiges Gebräu verzapfen?

(BK / JS)

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